der 1. mai : DIE GEFAHR WIRD HOCHSTILISIERT
Der 1. Mai wird ein heißer Kampftag. 6.000 Polizisten will Innensenator Eckart Werthebach (CDU) auffahren, um die Sicherheit in der Hauptstadt zu gewähren. Denn die bösen Extremisten von rechts und links wollen mal wieder das Demonstrationsrecht ausreizen. Und nicht nur die.
Die Ordnungshüter müssen am Tag der Arbeit über 50 weitere angemeldete Veranstaltungen betreuen. Da kann man schon mal ins Schwitzen kommen. Und auf die Idee, die konfliktträchtigsten Demonstrationen von NPD und Antifa zu verbieten. Wegen Überlastung.
Dabei handelt es sich bei der Unzahl von Maiprotesten zum Großteil um Infostände diverser Parteien, mit manchmal nur vier bis fünf erwarteten Teilnehmern. Über 30 solcher Hotspots zählt die Polizei auf. Die restlichen Veranstaltungen sind meist Stadtteilfeste.
Nun gut, mag der Innensenator einwenden. Da gibt es aber noch Gewaltpotenziale, die gerne in Hellersdorf auf die Straße gehen wollen. Vor allem die Antifaschistische Aktion macht Werthebach Sorgen. Denn die bediene sich „unzweifelhaft terroristischer Mittel“. Auch wenn der Senator dies öffentlich nicht näher ausführen kann oder will. Für ein Demonstrationsverbot reicht ihm das allemal.
Wie groß die Gefahr wirklich ist, konnte man am 12. März sehen, als die NPD zum Brandenburger Tor zog. Die Nationalen beschränkten sich auf klassische Demonstrationsmittel: Transparente und Parolen. Die sind zweifellos ekelhaft. Aber kein Anlass zum Demonstrationsverbot. Parallel zog die Antifaschistische Aktion friedlich durch die Stadt. Und selbst die nun für den 1. Mai von Antifa-Gruppen wieder angekündigten dezentralen Aktionen gegen den Nazi-Aufmarsch konnte man am 12. März sehen. Hunderte begleiteten die Nazis über die Leipziger Straße, äußerten dabei verbal ihren Unmut. Das ist mehr als gerechtfertigt.
Wovor hat Werthebach also Angst? Dass seine Kampagne für eine Beschneidung des Demonstrationsrechts scheitert? Nur so ist zu erklären, dass er Ausschreitungen herbeiredet und mit Verboten provoziert.
GEREON ASMUTH
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