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Replik auf Brief von Burkhard GarwegGenervtes aus der Legalität

Gastkommentar von Albert Kunze

Der frühere RAF-Terrorist Burkhard Garweg veröffentlichte in der taz einen offenen Brief. Den möchte ein taz-Leser nicht unbeantwortet lassen.

Klebstoff statt Knarre. Unverschämte Vereinahmung gewaltloser Bewegungen Foto: Christian Mang/reuters

D och, doch, das geht schon in Ordnung: In der wochentaz vom 21. Dezember 2024 druckte die Redaktion unter dem Titel „Grüße aus der Illegalität“ einen Brief des selbsternannten Befreiungskämpfers Burkhard Garweg ab. Schließlich gehören sowohl die Rote Armee Fraktion, die RAF, als auch ihre geistigen Sturzflüge und fatalen Irrwege zur linken sowie deutschen Geschichte – und zur Geschichte der taz. Aber unkommentiert bleiben sollte solch ewiggestriges Revolutionsgeschwafel nicht.

Daher folgt hier ein ebenfalls offener Brief.

Bild: privat
Albert Kunze

ist Völkerkundler, Kulturwissenschaftler und leitet das yidish-festival shtutgart. Er wurde 1959 geboren und schämt sich heute für Anflüge klammheim­licher Freude als Jugendlicher über den totalitären Linksextremismus der RAF.

Hallo Burkhard „Martin“ Garweg, das schon mal vorweg: Legal war und ist sie und weder illegal noch scheißegal: die Verhaftung von Daniela Klette und anderen bekennenden RAF-Militanten. Deshalb ist Ihre Forderung nach deren sofortiger Freilassung völlig ungerechtfertigt. Erst einmal sollten die Vorwürfe strafbarer Handlungen und Gewalttaten gesetzeskonform aufgearbeitet und danach gegebenenfalls abgeurteilt werden. Oder ist das im Kapitalismus gar nicht möglich? So jedenfalls argumentieren Sie – und das halte ich, sorry, für Unfug.

Die Versuche, linke, gewaltlose Bewegungen im zivilen Ungehorsam gegen herrschendes Unrecht zu vereinnahmen, sind eine Unverschämtheit

Sie äußern „Solidarität“ mit Re­vo­lu­tio­nä­r:in­nen und stellen die Meuchelmorde und Terroranschläge von RAF & Co in einen engen Zusammenhang mit der Klimabewegung und anderen emanzipatorischen Kämpfer:innen. Das hat aufgrund Ihrer Denke und Taten, bei denen Mordanschläge zum legitimen Mittel der Befreiung werden, einen fauligen Beigeschmack. Mehr noch: Ihre Versuche, engagierte linke und gewaltlose Bewegungen im Widerstand und im zivilen Ungehorsam gegen herrschendes Unrecht zu vereinnahmen, sind eine Unverschämtheit. Das ist nicht mehr als RAF-Gesäusel – und da sage ich klar: Nein danke!

Offenkundig haben Sie die vergangenen Jahrzehnte in der Illegalität nicht dazu genutzt, um selbstkritisch über Ihren Tellerrand zu schauen. Dabei gibt es doch auch auf Wagenplätzen viele kluge Ge­sprächs­part­ne­r:in­nen und bestimmt auch gute Literatur wie beispielsweise die taz … Vielleicht wäre dann in Ihnen die Erkenntnis gereift, dass in der Ideologie und in der Praxis der RAF eine hasserfüllte, unmenschliche Revolutionsideologie mit einem linken, emanzipatorischen Gerechtigkeitsmäntelchen nur mühsam verhüllt wird. Die Attentatsopfer der „dritten RAF-Generation“, ob Karl Heinz Beckurts, Gerold von Braunmühl, Alfred Herrhausen oder Detlev Rohwedder, waren nun mal keine üblen Tyrannen, sondern von ihren Mör­de­r:in­nen und deren Umfeld in grenzenloser Arroganz und Selbstüberschätzung ausgewählte Symbole des Kapitalismus.

Blutspur aus Hass, brutale Gewalt

Eine bessere, humanere Welt kann doch unmöglich entlang einer von fanatischen Menschen gelegten Blutspur aus Hass entstehen und wachsen, aus brutaler Gewalt und geistig eingeschränktem Schwarz-Weiß-Denken. Dieses Narrativ – „dort die bösen Ka­pi­ta­lis­t:in­nen und hier wir, die guten Genoss:innen“ – erinnert an manche den Sozialismus begründenden Schriften. Aber die sind etwa 140 Jahre alt, seither ist im Reallabor der Menschheitsgeschichte vieles passiert, was irritieren muss, auch und gerade uns Linke.

Dessen ungeachtet propagieren Sie – wie schon Hunderte vor Ihnen – einen echten, wahren Sozialismus. Ohne aber Fehlentwicklungen und Flops zentralistisch-bürokratischer Wirtschaftssysteme auch nur am Rande zu analysieren oder all die Verirrungen realsozialistischer Parteidiktaturen zu reflektieren. In deren Knästen, die es an sehr vielen Orten der Welt gibt, sind politische Gefangene, darunter auch etliche links Eingestellte! Auf solch blutbefleckte Solidaritätsbekundungen können linke, emanzipatorische Bewegungen dankend verzichten.

Dogmatische Sicht der Geschichte

Als habe es keinerlei erkämpfte gesellschaftliche und soziale Fortschritte gegeben, wiederholen Sie mantramäßig Ihre dogmatische Sicht der Geschichte, ohne dass Irritierendes erwähnt wird, zum Beispiel die faschistische Entwicklung ehemaliger Kampf­ge­nos­s:in­nen wie Horst Mahler. Oder Sie schreiben wohlfeil vom „Völkermord in Gaza“, lassen jedoch Gefahren durch religiös motivierten Totalitarismus außen vor. Sie prophezeien gebetsmühlenartig den unvermeidlichen Zusammenbruch des Kapitalismus, ohne im Geringsten auf totalitäre Entwicklungen in Russland, China und anderen (ehemals) realsozialistischen Autokratien einzugehen.

In Ihre Denkschablonen scheint auch der russische Großangriff auf seinen Nachbarstaat Ukraine mitsamt aller Kriegsverbrechen nicht zu passen. Sie tun so, als sei politisch und geschichtlich nichts Widersprüchliches geschehen, als seien Ihre wackligen ideologischen Konstrukte nicht längst zusammengebrochen.

Auch Ihre unglaubwürdigen Krokodilstränen können Sie sich sparen, nachdem Sie bei den von Ihnen überfallenen Menschen etliche Traumata ausgelöst haben. Ebenso beim Umfeld der von der RAF ermordeten Menschen. Denn bei diesen Überfällen und Morden wurde mit Waffen und Waffenattrappen geschwenkt und Ar­bei­te­r:in­nen (eigentlich doch in Ihrem Sinne die revolutionäre Klientel) mit Tötung gedroht.

Es wurde viel kapitalistische Kohle geraubt (Ist das nicht durch Ausbeutung angehäuftes Böses?), um ein langjähriges Leben im Untergrund zu finanzieren. Währenddessen haben sich viele Menschen aus dem Volk, für das Sie angeblich sprechen, für ein besseres Leben eingesetzt und dafür lange und hart gearbeitet, nicht selten für eine oftmals karge Rente. Die Kluft zwischen Arm und Reich wächst immer weiter und der immer noch existierende Hunger auf der Welt sind tatsächliche Skandale, die von linken Bewegungen bekämpft und beseitigt werden müssen.

Für emanzipatorische und humanistische Fortschritte hingegen taugen weder Ihre schiefen Feindbilder noch die Helden Ihres vorgestrigen Gedankenguts.

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