daumenkino: Frau2 sucht HappyEnd
Irgendwas Schreckliches muss passiert sein in der Jugend von Ben Becker. Ein schockierendes Erlebnis, ein erschütterndes Ereignis, irgendwas ganz Schlimmes. Doch was da nun auch genau geschah: Seit damals weigert Becker sich, erwachsen zu werden, keine juvenile Pose ist ihm seitdem peinlich genug.
Mit dem Liebesfilm „Frau2 sucht HappyEnd“ wurde dem ausschließlich in Cinesmascope fühlenden Kindskopf nun endlich ein angemessenes Vehikel im 35-mm-Breitwandformat geschaffen. Als gescheiterter Musiker steckt er sich morgens zuerst eine Fluppe in den Mund, moderiert nachts eine Radiosendung mit dem Titel „Endstation Sehnsucht“ und bläst mit rauchiger Stimme unerträgliche Sprüche in den Äther. In schwarze Secondhandanzüge geschweißt und mit einem Glas Gin in der Hand, trabt er durch ein herbstlich graues Berlin, spielt Trompete in schummerigen Bars und starrt dauermelancholisch aus seinen blauen Äuglein – immer auf der Suche nach, man ahnt es bereits: der großen, ewigen, verflossenen, unerfüllten Liebe.
Weil „Frau2 sucht HappyEnd“ aber kein Western ist, findet die Suche ganz zeitgemäß übers Internet statt. Und da das Leben Beckers Figur so übel mitgespielt hat, ist er strafverschärfend noch zum Zyniker geworden. Regisseur Edward Berger hat, um das Rauhe-Schale-Weicher-Keks-Syndrom zu illustrieren, seinem Kumpel so Sätze wie „Wahre Liebe? Eher wird’s Frühling am Nordpol“ ins Drehbuch geschrieben. Aber so dramatisch die Leiden des blonden Ben auch sein mögen: Die Krokodilstränen müssen trotzdem die Frauen vergießen, wohl weil Jungs wie Becker glauben, dass Männer sich benehmen müssen wie Cowboys nach der Menopause. Kurz: Ben Becker gibt sehr überzeugend sein eigenes Klischee. Und um die authentische Einheit von Darsteller und Rolle auch schön zu suggerieren, spielen ein paar Szenen in seiner eigenen Kneipe „Trompete“ und sprechsingt Becker auch zweimal auf dem Soundtrack.
Manchmal aber ist das Drehbuch, wenn es um Beckers Posen geht, durchaus hellsichtig: „Der Mann hält sich für John Wayne mit Bauchschuss“, sagt der Chef des Radios. Trotzdem: Das Abklatschwesen lässt sich im Restfilm überaus erfolgreich fortsetzen. So soll das erste Rendezvous mit der E-Mail-Bekanntschaft in einem Kino stattfinden, wobei der Filmtitel dem herzwunden Becker vielsagend „Trust“ verspricht.
Während Becker in seiner Rolle immerhin Beruf und Privatleben zugewiesen bekommt, muss sich die weibliche Hauptrolle Isabella Parkinson mit einer Monocharakterisierung als beste Freundin begnügen.
Den Hintergrund für diese Imitation des echten Lebens bildet ein Berlin, das zwar so ausgestorben ist, als wäre die Neutronenbombe gefallen, dafür aber wenigstens schön fotografiert ist: So scheint die Sonne hell und morgendlich ins Kino International, und in manchen Momenten erwacht dann doch noch eine Stadt zum Leben, die aussieht, als könnte man in ihr tatsächlich leben. THOMAS WINKLER
„Frau2 sucht HappyEnd“. Regie: Edward Berger. Mit Ben Becker, Isabella Parkinson u. a., D 2000, 96 Min.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen