piwik no script img

daumenkinoRückwärts rasen

„Time Machine“

Zeitreisende haben es nicht leicht heutzutage. Wer will noch etwas von den Errungenschaften irgendeiner Zukunft wissen, wo man schon in der Gegenwart an geklonten Gebärmüttern und anderem Bio-Science-Fiction schier verzweifelt? Nein, wie die Welt aussehen könnte, interessiert eigentlich niemanden mehr. Eher würde man gerne einiges aus der Vergangenheit löschen, den 11. September etwa.

Auch der Wissenschaftler Alexander Hartdegen (Guy Pearce) möchte das Geschehene gern ungeschehen machen. Als seine Verlobte einem Raubmord zum Opfer fällt, schwingt er sich in die von ihm erfundene Zeitmaschine und rast rückwärts. Doch in der Wiederholung stirbt die Liebe von neuem – diesmal bei einem Pferdekutschenunfall. Mit dieser Idee setzt sich das Remake von „The Time Machine“ deutlich vom 1960er Original ab, in dem Rod Taylor den Positivisten George spielte, der aus technischer Wissbegier future-wärts zog, um festzustellen, dass es sich im viktorianischen England besser leben lässt als unter blödblonden Eloys, die von grauen Morlocks wie Schweine gemästet und verspeist werden.

Der Einstieg und einige Werbeclip-hippe Szenen im New York der 2050er-Jahre sind die einzig spektakulären Abweichungen, auf die sich Simon Wells eingelassen hat. War die Romanvorlage von H. G. Wells eine ironische Zwei-Völker-Utopie aus Fressenden und Gefressenen, zeigt der bislang bei Disney für Animationsfilme verantwortliche Regisseur das Massaker: Kommunenmenschen flüchten vor maulwurfsblinden Ungeheuern, die per Computertrick wie gigantische Frösche herumspringen.

Weil sich Hartdegen – schon wieder – verliebt hat, steigt er auf seiner Suche nach der verschleppten Eloy-Schönheit Mara (Samantha Mumba) den Monstern in ihre Erdhöhlen nach und trifft dort Jeremy Irons, der als depressiver Fürst in der Finsternis regiert. Es kommt zu philosophischen Verwicklungen um Sein und Zeit, dann prügeln sich beide wie echte Männer um die weibliche Beute, die für den „Über-Morlock“ Nachwuchs ausbrüten soll. Natürlich gewinnt der Forscher, vernichtet die Kannibalenkolonie und bleibt am Ende bei seinem Lieblingshippiemädchen. Die Melancholie der alten Fassung ist in diesem Actiongewimmel allerdings verloren gegangen. Und auch die New-Age-Sirenengesänge nerven mit der Zeit. Schließlich will man nicht auf ewig von Enya gefangen sein. HARALD FRICKE

„Time Machine“. Regie: Simon Wells. Mit Jeremy Irons, Guy Pearce, Philip Bosco u. a., USA 2001, 96 Min.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen