das wird: „Es ist, als würde mir gesagt: ‚Sie gehören nicht zu uns'“
Adelina Almeira berichtet vom Leben der portugiesischen Hamburger. Als Studentin ist sie Mitte der 1960er-Jahre vor der Salazar-Diktatur in die Hansestadt geflüchtet
Von Wilfried Hippen
taz: Frau Almeira, Hamburg ist die deutsche Stadt in der am meisten Menschen mit portugiesischen Wurzeln leben. Wie kommt das?
Adelina Almeira: In den 1960er-Jahren gab es einen Vertrag zwischen Portugal und der Bundesrepublik Deutschland, in der damals Arbeitskräfte gebraucht wurden. Viele Portugiesen sind dann vor allem nach Hamburg gekommen und haben hier im Hafen oder in den Fabriken gearbeitet. In den 1970er-Jahren waren es mehr als 10.000, die dann mit vielen Restaurants und ihrer Kultur die Stadt geprägt haben.
taz: Sind so auch Sie nach Hamburg gekommen?
Almeira: Nein, bin 1964 zusammen mit meinem Mann als Flüchtling nach Hamburg gekommen. Wir waren Studenten und hatten an Demos gegen die Diktatur teilgenommen. Mein Mann musste befürchten, zum Militärdienst eingezogen und in den Kolonialkrieg in Afrika geschickt zu werden. Wir haben hier dann einen Antrag auf Asyl gestellt und der wurde abgelehnt, weil Portugal ein Mitgliedsland der Nato war. Wir bekamen eine Duldung weil wir hier studierten, aber keine Arbeitserlaubnis.
taz: Das klingt ja sehr aktuell. Seit 60 Jahren hat sich da ja scheinbar gar nichts geändert.
Almeira: So ist es. Diese Duldung hatte immer eine Frist von sechs Monaten und es gab die Androhung, dass man Deutschland in wenigen Tagen verlassen müsse, wenn man die Voraussetzungen nicht erfüllt hat. Ich und mein Mann haben das zehn Jahre lang überlebt.
taz: Und wie hat sich dann Ihre Lage verbessert?
Lesung „Die portugiesischen Hamburger“: 29. 8., 15.30 Uhr, LAB-Treffpunkt Eppendorf, Eppendorfer Weg 232. Der Eintritt ist frei, Anmeldung ist erforderlich
Almeira: 1974 konnten wir nach der Nelkenrevolution wieder zurück nach Portugal gehen, wo unser Pässe legalisiert wurden. Aber mein Mann hatte inzwischen hier einen festen Arbeitsplatz und unsere Tochter ging in Hamburg in die Schule.
taz: Und auch das ist wieder ein aktuelles Thema.
Almeira: Genau! Das geht heute etwa den Flüchtlingen aus Syrien genauso wie uns damals. Wie sollen sie zurückkehren, wenn sie sich hier viele Jahre bemüht haben, sich zu integrieren und wenn sie hier Familien gegründet haben? In ihren Heimatländern hat sich inzwischen alles geändert. Da hatten wir damals und haben sie heute kein Zuhause mehr.
taz: Und was haben Sie dann nach Ihrer Rückkehr nach Hamburg hier gemacht?
Almeira: Wir haben uns dann entschieden, den Menschen aus Portugal, die hier lebten zu helfen. Die meisten von ihnen hatten keine gute Bildung. Sie konnten kein Deutsch und hatten enorm viele Probleme damit, die deutsche Gesellschaft zu verstehen. Ich habe in den 1980er-Jahren als Sozialarbeiterin in einer Begegnungsstätte gearbeitet, habe dort einen portugiesischen Verein gegründet, eine Folkloregruppe unterstützt und Kurse in Deutsch für Anfänger organisiert.
taz: Über Ihre Erfahrungen haben Sie dann ja Texte verfasst, aus denen Sie vorlesen werden. Wie ist es dazu gekommen?
Almeira: Ich habe zusammen mit Professor Wulf Köpke vom damaligen Völkerkundemuseum das Projekt für ein portugiesisches Festival organisiert, das 20 Jahre lang stattfand. Und aus diesen Erfahrungen entstand das Buch „Die portugiesischen Hamburger“, für das ich einige Texte geschrieben habe.
taz: Und wovon erzählen Sie da?
Almeira: Eine von den Geschichten hat den Titel „Wo komm ich denn her?“ Denn diese Frage wird mir nach 60 Jahren in Hamburg immer noch gestellt. Warum werde ich das immer wieder gefragt, obwohl ich deutsch spreche und total integriert bin? Obwohl meine ganze Familie, meine Kinder, meine Enkel alle Deutsche sind. Manchmal klingt diese Frage für mich wie eine Provokation. Es ist, als würde mir gesagt: „Sie gehören nicht zu uns.“
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