das wird: „Political Correctness heißt jetzt Wokeness“
Jake Lamar liest in Hamburg aus seinem Campus-Krimi „Das schwarze Chamäleon
Interview Wilfried Hippen
taz: Herr Lamar, „Das schwarze Chamäleon“ spielt in den frühen 1990er-Jahren, es geht um Rassismus, Genderpolitik und politische Machtspiele in einer Uni. Warum liest es sich trotzdem nicht wie ein historischer Roman?
Jake Lamar: Ich hatte das Buch nicht mehr gelesen, seit es im Jahr 2003 ins Französische übersetzt wurde. Und dann habe ich es erst vor einigen Wochen wieder in die Hand genommen, als ich mich auf die Lesereise in Deutschland vorbereitet habe. Und ich war verblüfft darüber, dass vieles, über das ich damals geschrieben habe, ein Vierteljahrhundert später immer noch relevant sein würde. Was wir in den 1990ern Political Correctness nannten, heißt jetzt Wokeness, und was wir damals als Affirmative Action bezeichneten, wird jetzt Diversity, Equity und Inclusion genannt.
taz: Ihr Buch ist eine seltsame Mischung aus Krimi und Campus-Roman. Wie kam es dazu?
Lamar: Mein erstes Buch waren Lebenserinnerungen an meinen Vater und die nächsten beiden waren dicke Romane mit vielen verschiedenen Erzählsträngen. Beim vierten Buch wollte ich eine strengere Form und so wendete mich einem Genre zu, das ich als Junge liebte, als ich die Bücher von Agatha Christie und Arthur Conan Doyle las. Ich dachte, dass dieser Rahmen es möglich machte, zugleich eine Campus-Satire zu schrieben und die Leserschaft in Spannung zu halten.
Jake Lamar: „Das schwarze Chamäleon“, Edition Nautilus, 328 S., 22 Euro
Lesung und Gespräch mit Jake Lamar und Übersetzer
Robert Brack: heute, 20 Uhr, Buchladen in der Osterstraße, Hamburg
taz: Ihr Buch ist auch ein Verschwörungs-Thriller. Sie erzählen von einem ehemaligen Schwarzen Aktivisten, der in den 1960ern die Bürgerrechtsbewegung unterwandert hatte und sich in den 1990ern in einen Erzkonservativen verwandelte.
Lamar: Ich wurde dazu durch Eldridge Cleaver inspiriert, der mit „Soul on Ice“ seine Gefängnismemoiren veröffentlicht hat. Er war ein berühmter Radikaler und hat die Black Panther Party mitgegründet. Er floh dann ins Ausland und als er in den 1970ern nach Amerika zurückkehrte, wurde er ein rechter Politiker der Republikaner. Diese Geschichte faszinierte mich.
taz: Sie erzählen auch von einer Verschwörung zur Ermordung von Martin Luther King.
Lamar: Als ich das Buch in den späten 1990er-Jahren schrieb, fand gerade ein Prozess statt, bei dem eine Jury darüber urteilen sollte, ob es eine Verschwörung zur Ermordung von Martin Luther King gab. Die Jury entschied einstimmig dafür. Wenn man einen Roman schreibt, kann man spekulieren und Fragen stellen. Das gefällt mir daran.
taz: Sie leben seit vielen Jahren in Frankreich, die englische Version Ihres Buchs ist längst vergriffen. Ihr Übersetzer Robert Brack hat es zuerst auf Französisch gelesen und erst nach einer langen Suche noch eine Originalausgabe in einem Antiquariat in Neuseeland gefunden. Ist es seltsam, dass Sie also jetzt zur französischen Literaturszene gehören?
Lamar: Ja, in Amerika hat man mich vergessen. Ich kam nach Paris, als ich an meinem zweiten Buch schrieb, und ich wusste damals noch nicht, dass ich hier bleiben und arbeiten würde. Und je länger ich dann in Europa blieb, desto mehr verlor die amerikanische Verlagsindustrie ihr Interesse an mir. Und dann hatte ich Glück, dass meine Bücher in Frankreich erfolgreich wurden.
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