das wird: „Eigentlich ist Liebe inklusiv, aber das bekommen wir nicht gespiegelt“
Rassismus steuert die Partnerwahl: Josephine Apraku erklärt, welche Möglichkeiten es gibt, die Liebe von Vorurteilen zu befreien
Interview Nina Christof
taz: Josephine Apraku, ist Ihr Buch ein Beziehungsratgeber?
Josephine Apraku: Eigentlich nicht. Die Leute können ihr eigenes Leben wahrscheinlich besser einschätzen als ich. Deswegen arbeite ich viel mit Reflexionsfragen, die Leute in einer Beziehung auch gemeinsam machen können. Der Ausgangspunkt ist ein ganzes Kapitel, das Unterdrückung in Liebesbeziehungen erst mal definiert, um auch Leute anzusprechen, die sich noch gar nicht damit befasst haben. Aber ich habe auch viele Studien zusammengetragen für Leute, die sich mit diesen Fragen schon beschäftigt haben.
Sie schreiben auch Kinderbücher. Wie würden Sie einem Kind Liebe erklären?
Apraku: Liebe ist ein Tu-Wort: Wenn ich einen Menschen liebe, zeige ich das durch mein Verhalten – ich bin zum Beispiel freundlich, geduldig und unterstützend. Liebe bedeutet auch, dass ich die andere Person nicht absichtlich verletze, weder mit Worten noch mit Taten. Liebe lässt Menschen wachsen – nicht nur körperlich, wie bei Kindern, sondern auch im Herzen, im Fühlen und Denken.
In Ihrem Buch heißt es: „Liebe ist nicht für alle gemacht.“ Was bedeutet das?
Apraku: Die Art und Weise, wie wir in unserer Gesellschaft mit Liebe konfrontiert werden, lässt uns immer wieder hinterfragen: Wer ist eigentlich liebenswürdig? Liebe scheint nur für bestimmte Menschen zu sein: weiße Menschen, Menschen mit Zugang zu Geld, heterosexuelle Menschen, Menschen ohne Behinderung und so weiter. Eigentlich ist Liebe etwas total Inklusives, aber das bekommen wir in der Gesellschaft überhaupt nicht widergespiegelt.
Josephine Apraku
Jahrgang 1986, ist Afrikawissen-schaftler*in, Autor*in und Trainer*in für rassismuskritische Workshops.
Würde es uns als Gesamtgesellschaft besser gehen, wenn wir mehr an unseren persönlichen Beziehungen arbeiten?
Apraku: Ich glaube schon. Diskriminierungskritik bedeutet ja, wir setzen uns gemeinsam ein für eine Gesellschaft, in der alle Menschen das haben, was sie brauchen, um ein gutes Leben zu führen. Wenn es uns in persönlichen Beziehungen ein Anliegen ist, dann ist es uns nicht auf einmal woanders keins. Ich habe eine weiße Mutter, die sich viel mit Rassismus beschäftigt, weil ich davon betroffen bin. Diese Arbeit hat total viel mit ihr gemacht, unabhängig von unserer Beziehung.
Wo fängt diese Beziehungsarbeit an?
Apraku: Wenn wir mit einer Person neu zusammenkommen, sollte uns klar sein: Wen habe ich gelernt, attraktiv zu finden? Was sind eigentlich meine persönlichen Werte? Gibt es Sachen, die ich nicht aushandeln möchte? Als Schwarze Person kann ich mir absolut nicht vorstellen, mit einer Person zusammen zu sein, die behauptet, es gäbe keinen strukturellen Rassismus.
Wer kann aus Ihrem Buch lernen?
Lesung Josephine Apraku liest aus „Kluft und Liebe“, Eden Books 288 S., 20 Euro/E-Book 14,99 Euro im Edith-Russ-Haus, Oldenburg, 13. 12., 18.30 Uhr
Apraku: Mitnehmen können Leute immer irgendwas. Die Frage ist nur: Was und mit welcher Konsequenz? Ich habe Rückmeldungen bekommen von Leuten im Alter meiner Mutter, die meinten: „Für mich war es total gut, mal zu raffen, dass unsere soziale Position was mit unserer Perspektive auf die Welt macht.“ Es gab aber auch Leute, die meinten: „Ich habe dein Buch gelesen und dann wurde mir klar: Der Partner, mit dem ich zusammen bin, der ist eigentlich gar nicht so cool. Deswegen habe ich mich getrennt.“
Wie fühlt sich das an?
Apraku: Ich wäre fein damit, wenn Leute auf meinen Grabstein schreiben: „Hat Beziehungen zerstört, die vielleicht zerstört gehört haben.“ Wenn eine Person merkt: Meine Grenzen werden nicht gewahrt und ich bin immer wieder in bescheuerten Diskussionen zum Thema Sorgearbeit, Rassismus, Ableismus, Klassismus und so weiter, dann ist es gut zu überlegen: Bin ich hier eigentlich in der richtigen Beziehung?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen