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das wird„Es war mir selber nicht gelungen, mit meinen Eltern über dieses Thema zu sprechen“

Mit dem Film „Lange Schatten des Schweigens“ hat der Oldenburger Sozialwissenschaftler Rudolf Leiprecht seine eigene deutsch-jüdische Familiengeschichte ergründet. wHeute wird er auf dem Campus in Emden gezeigt

Interview Wilfried Hippen

taz: Herr Leiprecht, dieser Film erzählt von Ihnen und Ihren Eltern. Was ist deren Geschichte?

Rudolf Leiprecht: Mein Vater war ein Besatzungssoldat in den Niederlanden und meine Mutter ein 16-jähriges Mädchen, das sich in diesen Soldaten verliebt hat. Mein Vater wusste nicht, dass sie aus einer jüdischen Familie kam und der größte Teil ihrer Familie schon in Auschwitz ermordet worden war. Mein Vater hat sie dann nach Deutschland mitgenommen und in der Familie blieb dies ein großes Geheimnis.

Wann haben Sie selbst davon erfahren?

Erst mit 36 Jahren. Ich hatte eine jüdische Lebensversicherung unter den Familienunterlagen gefunden und als ich meinen Vater danach fragte, sagte er nur: „Dein Großvater war jüdisch. Hast du das nicht gewusst?“

Wie hat dieses Trauma Ihr Familienleben geprägt?

Meine Mutter ist an diesem Schweigen­müssen psychisch erkrankt. Sie ist in der Familie gewalttätig geworden und hat versucht, sich selber und mich umzubringen.

Und wie ist es dann zu diesem Filmprojekt gekommen?

Rudolf Leiprecht

Jahrgang 1955, war bis zum Ruhestand 2022 Professor für Sozial­pädagogik an der Carl-von-­Ossietzky-Uni Oldenburg.

Ich bin zusammen mit meinen niederländischen Freunden Erik Willems und Gerad Leenders auf die Idee gekommen. Es war mir selber zwar nicht gelungen, mit meinen Eltern über dieses Thema zu sprechen, aber es gibt Tonbandaufnahmen, die von einer Spezialistin für Gespräche mit älteren Menschen geführt wurden, und da haben die beiden viel erzählt. Und um dieses Tonmaterial haben wir dann den Film gestrickt.

Wie haben Sie den Film finanziert?

Wir hatten nur sehr wenig Geld und Erik hat das umsonst für mich gemacht. Wenn er noch anderen Freunden so helfen würde, wäre er bald pleite, denn er ist ein professioneller Filmemacher und muss ein Studio unterhalten.

Sie vertreiben den Film ja auch selbst. Wie lange sind Sie mit ihm nun schon auf Reisen?

Ich mache das jetzt seit einem Jahr, in dem ich auf über 40 Vorstellungen den Film auch selber vorgestellt habe. Teilweise in Kinos, aber auch in Schulen oder Instituten. Es ist günstig, dass ich immer dabei bin und die Menschen danach noch über den Film sprechen können, denn er löst viel Betroffenheit und viele Fragen aus. Es ist ein trauriger Film.

Filmvorführung „Lange Schatten des Schweigens“, Hochschule Emden/Leer, Campus Emden, Großer Hörsaal, 11. 4., 18 Uhr

Wie reagiert ein junges Publikum auf ihn?

Es geht ja um ein 16jähriges Mädchen das ungewollte schwanger wird – also eine Teenager-Mutter. Da können sich Jugendliche sehr gut hineinversetzen. Und es kommen nach den Vorstellungen auch Jugendliche zu mir, die selber unter Gewalt in der Familie leiden.

Wie ist es zu der Veranstaltung an der Uni Emden/Leer gekommen?

Ich habe ja mein Netzwerk und wenn da jemand den Film schon gezeigt hat, empfiehlt er ihn jemandem anders. Das funktioniert wie ein Schneeballsystem. In Emden gibt es eine Filminitiative um den Asta herum und die haben mich eingeladen.

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