das wird: „Jeder trägt einen Geist in sich“
Performer:in Colin Self über ein dreiteiliges Projekt in Hannover
Interview Luna Harms
taz: Colin Self, Ihre Oper handelt davon, Kontakt zu Geistern herzustellen. Warum ausgerechnet mit einem Überbleibsel der Vergangenheit über die Zukunft sprechen?
Colin Self: Ich denke, besonders die vergangenen Jahre, die ich mit eigener Forschung verbracht habe zum Thema „Schattenwelt“ und den Figuren, die diese bevölkern, haben mich zu dem Stück gebracht: Fragen wie die nach der Legitimität, wer wird erinnert und wie bleiben diese Menschen in Erinnerung; das Sterben eines Freundes sowie der Tod eines Unbekannten hatten auch damit zu tun.
Stehen am Samstag also gespenstische Platzhalter dieser Toten auf der Bühne?
Die Geister sind nicht nur die Menschen, die nicht mehr unter uns sind, sondern auch jeder von uns trägt einen Geist in sich. Es gibt keine binäre Teilung in Leben und Tod.
Apropos Teilung: Sie wollen die Grenze zwischen Bühne und Publikum überwinden. Warum?
Colin Self
*1987 in den USA, ist Komponist:in und Performer:in und derzeit Artist in Residence an der Staatsoper Hannover.
Oper ist in meinem Verständnis etwas sehr Formales. Die Oper ist eine sterbende Welt und mit ihr treffen ihre Funktionen und Geschichte auf weitaus größere Probleme: Es passiert vieles in der Welt, und so wächst der Drang, sich aus dem Kontext der Formalität zu lösen hin zu etwas, das mit allen geteilt werden kann.
„Kompass“ ist als Trilogie angelegt. Wie wichtig ist dieser Aufbau?
Das Stück wurde zu einer Trilogie durch die Masse an Material. Alle Vorstellungen funktionieren aber auch jeweils eigenständig.
Und warum spielen Sie das Stück nun mit einem Lai:innen-Ensemble?
Szenisch-musikalische Trilogie „Kompass“. Teil 1: Sa + So, 6. + 7. 1., 19.30 Uhr, Hannover, Ballhof Zwei. Die Teile 2 und 3 folgen im Februar und April. Alle Infos: https://staatstheater-hannover.de
Es war auf eine Art schon immer mein Modell, mit Menschen jeglichen Hintergrunds und unterschiedlicher Erfahrung zu arbeiten, die spielen wollen. Es war immer die Idee, dass es nicht darum gehen sollte, professionell und wissend zu sein in dem, was man tut. Sondern darum, diese Erfahrung als Teil des Prozesses zusammen zu machen.
Gibt es etwas, das Sie dem Publikum mitgeben möchten?
Nein. Ich mochte es noch nie, so etwas zu verordnen. Denn ich glaube daran, dass meine non-uniforme Idee von Kunst uns alle in verschiedene Richtungen lenkt – und es nicht nur ein einziges Ziel gibt. Aber vielleicht würde ich mir ein Gefühl von Veränderung wünschen oder sogar eine Veränderung im Herzen: ein erweitertes Verständnis davon, was wir hier alle zusammen, jetzt gerade auf diesem Planeten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen