das wird: „Zines zu basteln ist wie eine Meditation“
Das Zine-Fest im ostfriesischen Leer präsentiert aktuelle selbst verlegte Magazine – und selbst eines basteln kann man dort auch
Kathrin Freudenberg
33, Illustratorin und seit 2020 Mitarbeiterin in der Kulturwerkstatt Leer.
Interview Emma Rotermund
taz: Frau Freudenberg, wie kommt ein Zine-Fest ausgerechnet nach Leer?
Kathrin Freudenberg: Das erste Mal habe ich das Medium beim Comicsalon in Erlangen mitbekommen. Dort haben wir darüber gesprochen, dass es schade ist, dass niemand mehr tauscht, sondern viele Künstler*innen nur High-End-Comics für ihr Portfolio machen, die sie in Verlagen veröffentlichen wollen. Ich arbeite als Dozentin bei der Kulturwerkstatt Leer, in der ich früher auch schon Kunstunterricht hatte. Ich bin total froh, die Kulturszene mitgestalten zu können. Wenn ich in der Großstadt wohnen würde, würde ich als wirkende Kraft verpuffen. In meiner Heimatstadt bin ich gut vernetzt und kann etwas bewirken.
Viele wissen wahrscheinlich gar nicht, was ein Zine ist. Können Sie das erklären?
Zines sind meistens kleine, selbst verlegte Hefte, sie können aber auch digital sein. Sie sind ein tolles Medium, weil man offen dafür sein muss, was man bekommt. Ich versuche meistens, Zines zu tauschen. Das Medium lebt davon, dass es so billig wie möglich ist, damit es zu keiner Zensur kommt. Je kommerzieller es wird, desto massentauglicher muss es auch sein. Zines leben davon, dass man nicht über einen Mittelsmann gehen muss, um etwas zu publizieren. Es gibt also niemanden, der einem sagt, worüber man schreiben soll.
Was fasziniert Sie an Zines?
Ich bin auf einen Discord-Server gestoßen, in dem sich Menschen über Zines austauschen. Dort habe ich gelernt, dass Basteln nicht nur etwas ist, was ich gerne mache, sondern das überall auf der Welt Menschen Spaß macht. Zines zu basteln ist wie eine Meditation. Die Gemeinschaft auf dem Server hat mich ziemlich gerettet im Lockdown. Durch Zines komme ich auch in Kontakt mit Personengruppen, von denen ich sonst in Leer wenig mitbekomme, zum Beispiel gibt es viele queere und trans Personen in dem Server.
Sind Zines in Zeiten des Internets noch aktuell?
Das Lesen eines Zines ist langsamer, als einen Blog-Post anzugucken, den man schnell oder nur in Ausschnitten lesen kann. Ein Zine bestellt man und wartet ein paar Tage, bis man es zugeschickt bekommt. Man nimmt sich Zeit dafür und beschäftigt sich anders mit den Inhalten.
Um welche Themen geht es in den Zines beim Fest?
Es wird wahrscheinlich eine Mischung aus grafischer Lyrik und auf Kunst konzentrierten Zines sein. Meine Zines sind dabei, in denen es teilweise um das Dasein als Mutter und Künstlerin geht und wie verdammt anstrengend das ist. Eine Freundin stellt mit Jugendstil-Grafiken gestaltete Zines aus.
Wie läuft das Fest ab?
Man kann Zines angucken und kaufen, aber es wird auch Kuchen und einen Basteltisch geben, an dem man selbst Zines machen kann. Im Moment rechne ich damit, dass nicht viele Menschen kommen werden, aber dafür dann nächstes Jahr.
Zine-Fest Leer: So, 18. 9., 10–17 Uhr, Kulturwerkstatt Leer, Königstraße 33, Infos: https://kulturwerkstatt-leer.de, http://kathrin-freudenberg.de/tag/zine-fest-leer/
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