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das portraitDer Kieler Jung Samet Yilmaz will die Stadt regieren

Will sich als Oberbürgermeister für Bildungsgerechtigkeit und die Mobilitätswende einsetzen: Samet YilmazFoto: Grüne Kiel

Beim Fußball greift er am liebsten über links an, bei den Grünen steht er als Sprecher für Ordnungspolitik und Sicherheitsfragen eher auf der Realo-Seite. Im Herbst will Samet Yilmaz, gebürtiger Kieler, Arbeiterkind und promovierter Islamwissenschaftler, Oberbürgermeister der Landeshauptstadt werden. Der 43-Jährige glaubt daran, dass gute Kommunalpolitik und eine funktionierende Verwaltung die Demokratie stärken können.

Auf die Frage, welche Chancen er sich bei der Wahl am 16. November ausrechnet, verweist er auf die Zahlen: „Die Grünen sind stärkste Kraft in Kiel.“ 27 Prozent erhielt die Partei bei den Kommunalwahlen 2023. Bei der Bundestagswahl gewann Spitzenkandidatin Luise Amtsberg den Hauptstadt-Wahlkreis direkt. Aber „eine Bürgermeisterwahl ist eine Persönlichkeitswahl“, betont Yilmaz. Er will auch mit seinem „speziellen Werdegang“ überzeugen.

Der begann 1981 im Kieler Stadtteil Gaarden. Yilmaz’Eltern kamen aus der Türkei zum Arbeiten nach Deutschland. „Sie hatten große Hoffnungen und viel Zutrauen zu ihren Kindern, aber bei den Hausaufgaben konnten sie wenig helfen“, sagt Yilmaz. Er schloss die Hauptschule ab, absolvierte eine Lehre als Chemielaborant, machte dann Abitur, studierte in Kiel Politik und Islamwissenschaft, lernte Arabisch, ging für Auslandssemester nach Israel, Palästina und in den Jemen. In Ägypten und Syrien erlebte er die Umbrüche des Arabischen Frühlings: „Eine Zeit, die mich stark geprägt hat“, sagt der Kieler, der später über „Islamistische Gruppen in der Türkei“ promovierte.

2009 bekam Yilmaz eine Stelle im Bremer Innenressort, 2011 wechselte er zurück nach Schleswig-Holstein und ist seither im Innenministerium. Zurzeit ist er dort Referatsleiter im Bereich des Verfassungsschutzes. „Wir befassen uns damit, wie wir unsere freiheitliche Grundordnung schützen können“, beschreibt der verheiratete Vater von drei Kindern seine Aufgabe. Dass an der Spitze des Ministeriums zurzeit eine CDU-Frau steht, ist für den Grünen kein Problem: „Wir haben eine tolle Ministerin.“ Bei der Arbeit gehe es um die Sache, nicht die Parteifarbe.

Im Wahlkampf ist das anders. Bei der Wahl am 16. November tritt Samet Yilmaz nach jetzigem Stand gegen zwei Mitbewerber an: Die SPD, die Partei des heutigen Amtsinhabers Ulf Kämpfer, hat den Schulleiter und ehemaligen Referenten der Staatskanzlei, Ulf Daude (52), nominiert. Die CDU schickt den 55-Jährigen parteilosen Journalisten und Moderatoren Gerrit Derkowski ins Rennen.

Mit beiden Gegnern werde er fair umgehen, beide nehme er ernst, sagt Yilmaz: „Das ist eine Lektion vom Fußballplatz.“ Dort spielt er in einer „Ältere-Herren-Mannschaft“. Ebenso ernst nehme er die Verantwortung der Verwaltungsarbeit. „Wenn die Stadt funktioniert, wenn die Leute Antworten auf ihre Fragen und Probleme bekommen, dann finden rechte Kräfte keinen Anknüpfungspunkt“, sagt Yilmaz.

Yilmaz ist in einer Vielzahl Vereine engagiert, vom Rotary Club über die Türkische Gemeinde bis zum Nabu. Als Oberbürgermeister will er sich für Bildungsgerechtigkeit und die Mobilitätswende einsetzen, bis dahin aber erst mal in Kiel unterwegs sein und „noch mehr Menschen kennenlernen“. Esther Geißlinger

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