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das portraitSeltene Fischart Mola tecta fern von heimatlichen Gefilden gestrandet

Am Wochenende erlebte der Küstenort ­Gearhart Beach trotz stürmischen Wetters einen hohen Besucherstrom. Ein ganz dicker Fisch ist dort vor wenigen Tagen an der nördlichen Küste des US-Bundesstaats Oregon angelandet. „Wir dachten zuerst, es wäre ein Stein oder eine tote Robbe“, berichtet Anwohner Ed Uzelac dem lokalen Fernsehsender KPTV. Doch bald stellte sich heraus, dass es sich bei dem großen grauen Klumpen um die Überreste eines über zwei Meter großen Mondfischs der Gattung Mola tecta handelt, eines der größten Knochenfische überhaupt. Damit könnte die erst 2017 beschriebene Art Rekorde brechen, teilte seine Entdeckerin mit, die in Neuseeland ansässige Meeresbiologin Marianne Nyegaar.

Kurios ist zudem, dass der verendete Fisch mehr als 1.000 Kilometer von seinem natürlichen Habitat entfernt gefunden wurde. Mola tecta hält sich eigentlich auf hoher See in den subtropischen Gewässern der südlichen Hemisphäre auf und kommt höchstens den Küsten Australiens, Südafrikas oder Chiles nah. Dass er sich dort gelegentlich an der Meeresoberfläche treiben lässt, mutmaßlich zum Sonnenbaden, hat ihm im Englischen den Namen Sonnenfisch (sun fish) eingebracht.

Mondfische, die zur Gattung der Kugel­fische gehören, haben einen rundovalen, an den Seiten abgeflachten Körper und von Kratern übersäte, schuppenlose und sehr widerstandsfähige Haut, die bis zu sieben Zentimeter dick wird. Nachts leuchten sie silbrig wie der Mond. Der Grund dafür sind Parasiten, die sich in ihre Haut bohren. Kaum ein Fisch ist von so vielen Mikroorganismen befallen. Rund 50 verschiedene Gattungen wurden auf ihren Körpern gezählt.

Wegen ihrer Größe haben sie wenige natürliche Feinde. Sie selbst ernähren sich vor allem von Quallen. Rund 6.000 Stück verputzen die Meeresriesen am Tag, die sie überwiegend in der Tiefsee jagen. Da sie äußerst langsame Schwimmer sind, müssen sie in Gefangenschaft von Tauchern per Hand in ihr schnabelförmiges Maul gefüttert werden, das sie nie ganz schließen können. Daher sehen sie immer so aus, als ob sie mit einem langen „Oh!“ durchs Wasser gleiten würden. Ein Umstand, der ihnen den Ruf als „dümmster Fisch im Ozean“ eingetragen hat. Im Gegensatz zu ihren gigantischen Körpermaßen – der größte angeschwemmte Mondfisch der Gattung Mola ­alexandrini maß 3,25 Meter und wog fast 3 Tonnen – sind ihre Gehirne superklein. Auch ihre Larven sind mit 2 bis 3 Millimetern winzig. Immerhin: Mit rund 300 Millionen Eiern pro Laich halten Mondfische den Fruchtbarkeitsrekord aller Fische. Sie gelten deshalb auch nicht als extrem gefährdet. Immerhin bewohnen sie den Planeten auch schon seit 50 Millionen Jahren.

Trotz ihrer Hässlichkeit erfreuen sich Mondfische in Gefangenschaft großer Beliebtheit. Im dänischen Nordsøen Oceanarium in ­Hirtshals verfolgen Be­su­che­r:in­nen regelmäßig die Fütterungsshow. Dort ist man jedoch dazu übergegangen, die Mondfischexemplare nicht mehr mit Namen zu versehen, seit der Tod von ­Hamlet und Andrea für große me­dia­le Aufregung gesorgt hatte.

Auch in Gearhart Beach zieht der verendete Riesenmondfisch noch immer viele Schaulustige an. Das benachbarte Seaside Aquarium ruft Anwohner sogar ausdrücklich dazu auf, sich den Kadaver von Nahem anzuschauen. Und das können sie auch noch eine ganze Weile lang tun. Denn der Mondfischkadaver dürfte noch Tage oder sogar Wochen am Strand liegen bleiben. Aufgrund seiner harten Haut haben es Aasfresser schwer, ein Stück Mondfischfilet zu ergattern. Sunny Riedel

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