piwik no script img

das portraitJoanna Mallwitzkehrt zu ihren Wurzeln zurück

Sie kann unglaublich packend über Beethoven sprechen. Sie beweist Humor, wenn sie auf dem Video-Rundgang des Bayerischen Rundfunks zu seiner 6. Sinfonie ihren Versprecher drin lässt, lacht und neu ansetzt. Die in Hildesheim geborene Dirigentin Joanna Mallwitz, 35, nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn sie Beethoven erst gefährlich und dann zart nennt und es auch gleich am Klavier demonstriert.

Ja, man muss sich das auf Youtube ansehen, denn Zeit für ein Telefonat hat Mallwitz nicht: Sie probt Mozarts „Così fan tutte“ für die Salzburger Festspiele; 2020 hat sie dort als erste Frau überhaupt dirigiert. Für die diesjährige Premiere will sie sich besonders konzentrieren, erwartet sie doch im Herbst ihr erstes Kind, achtet auf Coronaregeln. Also: keine Ablenkung – überhaupt das Motto der Dirigentin, die ihr Talent als 13-Jährige am Institut zur Frühförderung musikalisch Hochbegabter an der Musikhochschule Hannover entdeckte. Später wurde sie Kapellmeisterin am Theater Heidelberg, dann jüngste Generalmusikdirektorin (GMD) Europas am Theater Erfurt. Seit 2018 ist sie GMD am Nürnberger Staatstheater und wollte eigentlich das geplante neue Konzerthaus mit eröffnen. Aber die Stadt zerstritt sich über Ort und Finanzierung, das Projekt rückte in weite Ferne.

Mallwitz, über Dirigate an der Bayerischen Staatsoper, dem Philharmonia Orchestra London und den Münchner Philharmonikern inzwischen berühmt, ist es leid. Am 28. Juli teilte sie mit, dass sie ihren Vertrag nicht über 2023 hinaus verlängern werde. Ein Grund sei, „dass der ursprüngliche Plan, die Staatsphilharmonie bis zur Eröffnung des neuen Nürnberger Konzertsaales zu begleiten, durch die Entwicklungen des letzten Jahres leider nicht mehr in Erfüllung gehen kann“, teilte sie mit.

Zudem werde sie als Mutter die Flexibilität einer Freiberuflerin brauchen. Pläne gibt es schon: Als Porträtkünstlerin des Wiener Musikvereins wird sie in der Saison 2021/22 die Symphoniker und das RSO Wien dirigieren und beim Orchestre National de France gastieren.

Und da Menschen am Wendepunkt gern zurückblicken, passt es gut, dass Mallwitz kürzlich zu ihren Wurzeln zurückkehrte und an Hannovers Musikhochschule eine Meisterklasse für Dirigenten gab. Ihr Motto: einen Plan haben, aber nicht stur daran festhalten. Das hat ihr auch die Zeitschrift Opernweltattestiert, die sie 2019 zur „Dirigentin des Jahres“ kürte: Mallwitz sei eine Künstlerin, „die besessen am Klang zu feilen pflegt und doch, wenn es darauf ankommt, loslassen kann“. Petra Schellen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen