das portrait: Marta Lempart wird auch vor Gericht für die Rechte von Polens Frauen streiten
Marta Lempart ist der Schrecken der Nationalpopulisten in Polen. So scharfzüngig, intelligent und herausfordernd stellte sich ihnen bislang keine einzige Frauenrechtlerin entgegen. Die heute 42-jährige Geschäftsfrau hat ganz genaue Vorstellungen davon, was sie will: Das Recht von Frauen auf Abtreibung steht ganz oben auf ihrer Forderungsliste. Sie sagt das laut und deutlich auf Demonstrationen, im Radio und Fernsehen, in Interviews und in der direkten Konfrontation mit katholischen Priestern und rechten Politikern: „Wenn ihr Krieg wollt, könnt ihr Krieg haben!“
Nun will die vom Rechtsaußen-Politiker Zbigniew Ziobro geleitete Staatsanwaltschaft ein Exempel an ihr statuieren und einen Prozess inszenieren, der mit einem Schuldspruch enden soll: Acht Jahre Haft drohen ihr angeblich, wiederholen das PiS-kontrollierte Staatsfernsehen TVP und PiS-nahe Zeitungen gebetsmühlenartig. Lempart wird unter anderem zum Vorwurf gemacht, sie habe in der Coronapandemie die Gesundheit und das Leben anderer aufs Spiel gesetzt. Sie habe zudem einen Polizisten beleidigt und ihn bespuckt sowie in einem Rundfunkinterview die Kirche angegriffen. Seit dem Urteil des polnischen Verfassungsgerichts, demzufolge schon eine befruchtete Eizelle „ein ungeborenes Kind“ mit vollem Recht auf Menschenwürde sei, müssen Polinnen auch schwerst fehlgebildete und nicht überlebensfähige Säuglinge zur Welt bringen. Nicht nur Lempart, auch Polens Ombudsmann Adam Bodnar und die Frauenrechtsbewegung „Strajk kobiet“ lehnen das Urteil des Verfassungsgerichts strikt ab. Polen werde nun zu einem Land, in dem „Folter an Frauen“ wieder rechtens sei.
Lemparts Parole „Verpisst euch, PiS!“ hatte ungeheure Durchschlagskraft. Denn bislang waren Kraftausdrücke in Polen den Männern vorbehalten. Polinnen, die ernst genommen werden wollten, hatten sich einer höflich-braven Sprache zu bedienen. Doch das Urteil löste eine solche Wut bei Polens Frauen und auch bei vielen sich solidarisch erklärenden Männern aus, dass das „Wypierdalac!“ heute wie der Schlachtruf von FreiheitskämpferInnen klingt.
Die giftige Anschuldigung, sie sei eine Kindsmörderin und verfechte eine eugenische Nazi-Auslese, die sich gegen Behinderte richte, schleudert ihr heute kaum noch jemand entgegen. Denn anders als viele „Pro Life“-KämpferInnen und PiS-PolitikerInnen engagiert sich Lempart seit vielen Jahren für behinderte Kinder und Erwachsene. Sie führte im Arbeits- und Sozialministerium das Ressort für Behindertenpolitik, später sorgte sie dafür, dass möglichst viele Behindertenvereine Zuschüsse vom Staat bekommen konnten. Sie bedauert es, dass die liberale Vorgängerregierung der PiS unfähig war, sich ihrer guten Sozialpolitik zu rühmen, und es nun heißt, nur die PiS sei mit ihrem Kindergeld in Höhe von rund 110 Euro pro Kind und Monat sozial eingestellt.
Schon heute wird Lempart mit dem bekanntesten Putin-Widersacher verglichen: „Lempart, das ist unser Alexei Nawalny“
Gabriele Lesser, Warschau
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