das portrait: Imke Wübbenhorst trainiert schon bald nicht mehr
Viel fehlte nicht. Vier Minuten plus Nachspielzeit. Dann wäre Imke Wübbenhorst nach einer turbulenten Woche mit angekündigtem Ende eines besonderen Trainerjobs doch noch ein kleines Happyend beschieden gewesen. Aber Marcel Ruschmeier vom SC Spelle-Venhaus machte am Freitag mit seinem Tor in der 86. Minute die Hoffnungen zunichte. Am Ende hieß es 3:3 für den BV Cloppenburg, dem vom Abstieg in die Sechstklassigkeit bedrohten Oberliga-Fußballteam, das Wübbenhorst im Dezember 2018 als Trainerin übernommen hatte.
Große Aufregung so kurz vor dem frohen Fest! Die erste Männermannschaft eines Vereins mit überregionaler Bekanntheit – trainiert von einer Frau?! Wie diese Nachricht für einen Hype sorgte, war befremdlich. Manche Medien nannten die 30 Jahre alte Sport- und Biologielehrerin am Gymnasium Bad Zwischenahn-Edewecht, die es im Fußball zur U20-Nationalspielerin gebracht hatte, eine „Pionierin“. Wübbenhorst: „Es wäre schön, wenn durch mein Wirken rumkommt, dass auch Frauen Männer trainieren können.“
Die ganze Aufregung war entstanden, weil eine Frau sich etwas getraut hatte. Als es eine Vakanz auf der Trainerposition bei den ersten Herren gab, stand Wübbenhorst, bis dahin Trainerin des zweitklassigen Cloppenburger Frauenteams, auf und sagte: „Ich mach’s!“ Sie musste sich gleich danach einen Co-Trainer suchen, weil der bisherige einer Frau nicht die Hütchen hintertragen mochte.
Es gab auch dämliche Kommentare von Männern in Foren oder seltsame Reporterfragen wie, ob sie eine Sirene auf dem Kopf trage, damit die Männer noch schnell eine Hose anziehen können, bevor sie in die Kabine kommt. Ihre Antwort: „Natürlich nicht. Ich bin Profi. Ich stelle nach Schwanzlänge auf.“ Launiger Konter! Bleibt nur die Frage, wie ihre Spieler den Spruch fanden – vor allem die Reservisten. In den Internetforen gab es viel Lob für die Replik. Einige warfen ihr auch Sexismus vor.
Nun, nur ein gutes Vierteljahr später, steht fest, dass die Zusammenarbeit nach dieser Saison zu Ende gehen wird. Sportliche Gründe wurden nicht angeführt. Der offizielle Grund: ihre Trainerambitionen. Wübbenhorst möchte an der Sporthochschule Köln den Fußballlehrerschein erwerben. Die BVC-Vereinsführung sah darin eine zu große Doppelbelastung. „Wir brauchen Planungssicherheit. Bei einem Mann hätten wir genauso entschieden“, sagte Klubchef Jürgen Vortmann.
Es scheint noch mehr Gründe zu geben, vielleicht der Hype, vielleicht dümmliche Kommentare, oder vielleicht passte es doch nicht so gut zwischen ihr und dem Team. Vortmann sagte: „Imke ist mit viel Mut diesen Weg gegangen. Sie ist eine echte Fußballkennerin, und wir wünschen ihr alles Gute.“ Christian Görtzen
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