das portrait: Das Aldi-Phantom Torsten Hufnagel fährt nun historische Verluste ein
Wer versucht, mehr über den neuen Aldi-Nord-Chef Torsten Hufnagel herauszufinden, recherchiert ins Leere: Der Mann ist ein Phantom. Auch die Presseabteilung des Unternehmens winkt auf eine Anfrage hin ab: Sie gibt keine Informationen heraus, nicht einmal, wo oder was der Mann studiert hat.
Was die Geheimhaltung angeht, operiert die Discounter-Kette aus Essen etwa auf dem Niveau der CIA. Jahrzehntelang hatten schon die Aldi-Gründer Karl und Theo Albrecht extrem zurückgezogen gelebt. Sie gehörten zu den reichsten Deutschen, aber es gab nur ein Foto von ihnen aus dem Jahr 1987. Von Theo Albrecht, der Aldi Nord gründete, sind selbst genaue Geburtsorte und -daten unbekannt. Obwohl drei von vier Deutschen hier einkaufen, ist Aldi für seine Verschwiegenheit berüchtigt.
Klandestin gibt sich der Discounter auch bei seinen operativen Chefs. Im September hatte Hufnagels Vorgänger Marcus Heußinger wegen interner Querelen völlig überraschend hingeschmissen. Worum es ging, ist nicht bekannt. Bekannt ist, dass das 5 Milliarden Euro schwere Modernisierungsprogramm nicht in die Gänge kommt. Dieses „Aldi Nord Instore Konzept“, kurz Aniko, überfordert offenbar viele Mitarbeiter, es gibt Personalprobleme und Warenengpässe, die das Geschäft beeinträchtigen.
Und jetzt das: Aldi Nord wird erstmals seit der Aufspaltung der Unternehmen in einen Nord- und einen Süd-Bereich im Jahr 1961 rote Zahlen im Heimatmarkt Deutschland schreiben. Dies musste Hufnagel gegenüber dem Fachblatt Lebensmittelzeitung eingestehen. Das Minus befindet sich im zweistelligen Millionenbereich.
Von den wenigen Dingen, die man überhaupt über Hufnagel weiß, ist nur bekannt, dass er als Urvater von Aniko gilt. Zudem, dass er 1998 bei Aldi Nord nach seiner Promotion eingestiegen ist. Das Umbauprogramm soll das teuerste der Unternehmensgeschichte sein – und Aldi Nord ein neues Image verpassen.
Mit der Formel Qualität, tiefe Preise, wenig Auswahl und Schmucklosigkeit haben die Aldi-Brüder einst den Discounter erfunden – und ihn im Nachkriegswestdeutschland zur Nummer 1 im Lebensmitteleinzelhandel gemacht. Aber die Daten der Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) zeigen, dass Aldi Nord mit der Billigheimerstrategie zuletzt ins Hintertreffen geriet: Der Umsatz von Konkurrent Lidl wuchs im ersten Halbjahr 2018 um etwa 7 Prozent, Aldi Süd machte ein Plus von drei Prozent. Der Umsatz von Aldi Nord mit seinen 60.000 Mitarbeitern in neun Ländern ging sogar um 0,2 Prozent zurück.
Deshalb soll Hufnagel eine radikale Wende herbeiführen: die 2.250 Nord-Filialen in Deutschland sollen frischer daher kommen. Statt Neonlicht und Paletten soll es künftig heimeliger „beim Aldi“ werden. Das heißt hübsch platzierte Markenprodukte und Gemüseabteilungen, die in Licht baden. Außerdem Glastüren und breite, helle Gänge und eine Backstraße. Auch das Sortiment, bisher 1.500 Waren, soll größer werden. Sinan Recber
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