piwik no script img

das portraitDie schwedische Akademie wählt Jila Mossaed in ihre gebeutelte Runde

Foto: reuters

„Ich bin überrascht und unglaublich stolz“, sagte Jila Mossaed nach der Nachricht, dass sie einen Platz in der Schwedischen Akademie erhalten wird: „In meiner Heimat wurde mein literarisches Werk nicht mehr geschätzt, und nun bietet mir mein neues Heimatland die feinste literarische Wertschätzung an, die man sich überhaupt nur denken kann.“

Die Freude dürfte beidseitig sein. Mit der Wahl von Mossaed und deren Bereitschaft, diese Wahl auch anzunehmen, hat die arg in Verruf geratene schwedische Institution, die jährlich den Träger des Literaturnobelpreises bestimmt, einen entscheidenden Schritt zum Überleben getan. Da zeitgleich auch der Jurist Eric M. Runesson in die Akademie gewählt wurde, ist sie wieder beschlussfähig. Die 1786 gegründete Akademie ist auch unter dem Namen „De Aderton“ bekannt: „Die Achtzehn.“ Weil sie eigentlich aus 18 Mitgliedern bestehen soll, die für ihre 18 nummerierten Stühle auf Lebenszeit gewählt werden.

Eigentlich. Bekanntlich war die ehrwürdige Gesellschaft angesichts mehrerer Skandale zuletzt auf 10 aktive Mitglieder geschrumpft. Für alle wichtige Entscheidungen bedarf es aber einer Zweidrittelmehrheit, also mindestens 12 Stimmen. Mit einer Ausnahmegenehmigung des Königs wurden die Statuten nun so interpretiert, dass auch weniger als 12 Anwesende neue Mitglieder wählen dürfen. Und Schwedens Staatsoberhaupt genehmigte am Freitag die Wahl von Runesson und Mossaed.

Ja, sie habe tatsächlich Bedenken gehabt, die Ehre anzunehmen, berichtet Mossaed. Allerdings nicht wegen der gegenwärtigen Probleme der Akademie: „Ich lebe ja bislang in Göteborg ein ruhiges und friedliches Dichter- und Einsiedlerleben. Das wird sich nun vermutlich ändern.“

Mossaed wurde 1948 in Teheran geboren. Sie veröffentlichte zwei Romane und fünf Gedichtsammlungen auf Persisch, bevor sie 1986 mit ihren beiden Kindern vor dem Chomeini-Regime floh. Nach 11 Jahren in Schweden debütierte sie mit ihrem ersten Gedichtband in der neuen Sprache. Seither sind sechs weitere Bücher von ihr erschienen. Die 70-Jährige hat mehrere schwedische Literaturpreise erhalten.

Wenn Mossaed am 20. Dezember in die Akademie eintritt, wird sie Stuhl Nummer 15 erhalten – auch das ist ein Signal. Den Stuhl hatte seit 1978 Kerstin Ekman innegehabt. Doch weil sich 1989 eine Mehrheit in der Akademie geweigert hatte, gegen die von Irans Ajatollah Chomeini gegen den Schriftsteller Salman Rushdie verhängte Fatwa zu protestieren, hatte Ekman 29 Jahre lang nicht mehr an deren Arbeit teilgenommen. Erst im Mai war ihr auch formal der Austritt bewilligt worden.

Die schwedischen Medien reagierten durchweg positiv auf Mossaeds Wahl. Sie signalisiere eine Offenheit gegenüber der Welt, die für eine „neue Akademie“ notwendig sei, kommentiert Svenska Dagbladet: Und angesichts dessen, wie Mossaed gewagt habe dem Regime im Iran zu trotzen, „ist sie vermutlich nicht jemand, die zu eventuellen Missständen in der Akademie schweigen wird“. Reinhard Wolff, Stockholm

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen