piwik no script img

das portraitDer neue Präsident Mario Abdo Benítez weckt in Paraguay böse Erinnerungen

Wo der neue Präsident Paraguays politisch steht, erkennt man schon an dem Wagen, in dem sich Mario Abdo Benítez zur Amtseinweihung am gestrigen Mittwoch zwischen Regierungspalast und Kathedrale in der Hauptstadt Asunción hin und her kutschieren ließ: einem weißen Chevrolet Caprice. Das schicke Cabrio liebte schon Paraguays langjähriger Diktator Alfredo Stroessner (1954–89). Heute gehört der US-Schlitten der Familie des frisch gewählten Präsidenten.

Und das ist kein Zufall: Abdos Vater war der persönliche Sekretär von Stroessner, Abdo selbst 2006 auf dessen Beerdigung. Bis heute tut sich der Mann mit dem früh ergrauten Haupthaar schwer, sich von den Menschenrechtsverbrechen der Militärdiktatur zu distanzieren: 20.000 Menschen wurden unter Stroess­ner gefoltert, 400 ohne Gerichtsverfahren entführt und ermordet. Im Wahlkampf fand Abdo dennoch lobende Worte für jene Zeit: Seine Partei – der auch Stroessner angehörte – habe damals die Grundlage für die großartige Infrastruktur in diesem Land gelegt.

Wie sehr Abdo, der in Paraguay schlicht „Marito“ genannt wird, dieses Erbe belastet, zeigt der knappe Ausgang der Präsidentschaftswahl vom April. Mit nicht mal 4 Prozentpunkten Vorsprung setzte sich der 46-Jährige gegen seinen Kontrahenten Efraín Alegre durch. Und das, obwohl die Übermacht seiner Colorado-Partei eigentlich ein Selbstläufer für rechte Präsidentschaftskandidaten ist: 66 der letzten 71 Jahre regierten die Konservativen. Nun sind sie für weitere fünf Jahre an der Macht. Doch Abdo, der mit 33 Jahren sein erstes politisches Amt bekleidete, ist die Unzufriedenheit vieler im Land nicht entgangen: Jede und jeder Dritte im Land lebt unterhalb der Armutsgrenze. Vergangenes Jahr machte sich sein Amtsvorgänger und Parteikollege Horacio Cartes extrem unbeliebt, weil er für seine Wiederwahl die Verfassung ändern wollte. Und seit Monaten gehen BürgerInnen auf die Straße, um gegen korrupte PolitikerInnen zu demonstrieren.

Abdo, der nach seiner militärischen Ausbildung zwei Baufirmen leitete und in zweiter Ehe mit der Tochter eines Großunternehmers verheiratet ist, verspricht, ausländische Investitionen nach Paraguay zu holen, um damit mehr Stellen zu schaffen, sowie die demokratische Gewaltenteilung zu achten und sozialen Protest zu respektieren: „Die Bürgerinnen und Bürger schweigen nicht, und wir müssen auf ihre Forderungen hören“, sagte Abdo zwei Tage vor Amtsantritt in seinem Garten vor JournalistInnen. Worte, die er am Mittwoch bei seiner Antrittsrede als 50. Präsident in der Geschichte Paraguays fast wörtlich wiederholte: „Es ist unsere Verpflichtung, diese Stimmen zu hören und berechtigte Anliegen ernst zu nehmen“, sagte Abdo im Präsidentenpalast.

Die Frage ist, welche Stimmen der neue Präsident hören will. Am Tag seines feierlichen Amtsantritts riegelte die Polizei die Straßen um den Regierungspalast ab und verbot jede Form des sozialen Protestes. Dafür seien feste Zeiten vorgesehen: Werktags ab 18 Uhr – nach vorheriger Anmeldung bei der Polizei. Ralf Pauli

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen