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das portraitEigensinnig für die Vielfalt – die Israelin Netta Barzilai gewinnt den ESC

Als nur noch sie und die zypriotische Kandidatin Eleni Foureira gewinnen konnten, war die Spannung auf ihrem Gesicht schweißtreibend: Dann wurde verkündet, dass sie, Netta Barzilai, 25 Jahre alt, beim Televoting den Jackpot zuerkannt bekommt. Sie ist damit die Siegerin des 63. Eurovision Song Contest in Lissabon – und sie hat auf beinahe wütende Weise, glücklich natürlich auch, in seliger und lauter Form den Siegespokal in Empfang genommen. Und das war in der Tat kein „Toy“, wie der Titel ihres Liedes lautet, sondern ein Symbol für sie, dass ein „fettes Mädchen“, wie sie selbst sagt, es der Hasskultur der Dünnen und Diätterrorist*innen zeigen kann – und wie.

Netta Barzilais Lied ist mehr als ein Kommentar zur #metoo-Debatte. Markierte die israelische ESC-Siegerin von 1998 Dana International die heteronormativen Grenzen öffentlicher Wahrnehmung von Entertainment neu und weitete sie im queeren Sinne erheblich; ja forderte sie damals auf der Siegesbühne in Birmingham Anerkennung für das Schwule und Lesbische und Trans* und zugleich die Sagbarkeit von Nichtheterosexuellem: geht Netta mit ihrem Plädoyer für Eigensinn und Verschiedenheit darüber hinaus. Sie, die „large“ Person, ist in Lissabon auch, in aller hörbaren Empfindsamkeit, auf Vergeltungsfeldzug gewesen: Sie kann, was sie kann, entertainen – und sie tut es, weil sie es zur richtigen Zeit vermag.

Sie hat sich nicht entmutigen lassen, als internationale Buchmacher*innen sie nicht mehr auf dem Zettel hatten, sondern andere. Aber sie hat dem Liveauftritt mit ihrem Lied, das so schöne Vokabeln enthält wie „Motherbucka“, eine zornig-kokette Note gegeben, stimmkräftig sowieso. „Vor einem halben Jahr kannte mich niemand, ich war in Clubs in Tel Aviv und machte coole Musik mit meinem Stimmloopinggerät. Ihr könnt mir glauben, das muss auch eine wie ich erst verkraften, solch ein ganz anderes Leben zu haben.“

Die Tochter nicht schlecht situierter Eltern aus Hod HaSharon nahe dem Mittelmeer, die ihre feine Musikalität als Schülerin in Nigeria schulte, verkörperte in Lissabon das klassische Konzept des hässlichen Entleins, das zum regenbogenhaft kolorierten Schwan wird. Siegespressekonferenzen beim ESC sind eigentlich werblich orientiert, Wahrhaftiges hat dort keinen Platz. Netta Barzilai aber antwortete ungeschützt, wie in einem therapeutischen Setting: „Ich habe gegen niemanden gewonnen, ich liebe all die anderen bei der Eurovision. Ich habe mit mir gewonnen. Aber dieser Kampf geht in mir weiter, ich vermute, ein Leben lang“.

Im Übrigen rief sie aus, dass es nächstes Jahr in Jerusalem – wo sonst? – ein Wiedersehen gebe, und Israel, ihrem Land, dem sie ihren Sieg zu dessen 70. Geburtstag widmete, könne sowieso Partys geben, die sich nur so gewaschen hätten. Verteidigungsminister Lieberman nutzte die Gunst der Pop-Stunde, um Richtung Syrien darauf hinweisen, Israel sei eben kein „Toy“. Seine Botschaft drang nicht bis Lissabon vor. Netta Barzilai soll dem Vernehmen nach bis morgens um sieben ausgelassen gefeiert haben. Jan Feddersen

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