piwik no script img

das portraitFolgt in Hamburg Olaf Scholz als Erster Bürgermeister nach: Peter Tschentscher

Allzu sehr unterscheiden sie sich nicht, der bisherige und der künftige Erste Bürgermeister Hamburgs. Frisur, Temperament, Politikstil – die Sozialdemokraten Olaf Scholz und Peter Tschentscher ähneln sich in vielem. Dass Tschentscher am heutigen Mittwoch in der Bürgerschaft zum Regierungschef der rot-grünen Koalition gewählt wird, gilt als sicher. Das Bündnis hat mit 73 von 121 Mandaten eine klare Mehrheit, und von den Grünen bekommt der 52-jährige promovierter Mediziner „geschlossen Rückendeckung“, wie Fraktionschef Anjes Tjarks beteuert: „Er ist ein guter Zuhörer, der sich viel stärker in den Dialog mit der Bevölkerung und mit uns als Koalitionspartner begeben wird.“

Und eben das ist der Punkt, an dem sich der unnahbare und zur Arroganz neigende neue Vizekanzler und Bundesfinanzminister Scholz und Tschentscher am ehesten unterscheiden. Der eine hatte nach vier Jahren Alleinregierung 2015 dem notwendig gewordenen Koalitionspartner einen „grünen Anbau“ zugestanden, der andere versichert, auch er wolle „eine grüne Stadt mit höchster Lebensqualität, mit Luftreinhaltung und Klimaschutz“ – ein Satz, den Scholz niemals gesagt hätte.

Es ist die freundliche Verbindlichkeit des Peter Tschentscher, die Grüne auf mehr politische Beinfreiheit im künftigen Senat hoffen lässt. Tschentscher gilt als absolut fair und verlässlich, wie er in früheren Zeiten in rot-grünen Koalitionen im Hamburger Bezirk Nord bereits bewiesen hat. Klar ist dennoch, dass der akribische und detailverliebte Finanzsenator mit seiner ausgeprägten Vorliebe für Mathematik Sozialdemokrat und Regierungschef sein will und wird. Auch Tschentscher, der niemals vor Augenzeugen herzhaft lacht, will führen, und er wird vom Kurs der Haushaltssanierung, den er und Scholz bei ihrem gemeinsamen Amtsantritt 2011 entworfen hatten, keinen Millimeter abweichen. Die „schwarze Null“ ist Tschentschers einzige Vision, eine andere hat er nicht.

„Ordentliches Regieren“, wie Scholz es vor sieben Jahren angekündigt hatte, ist auch das Mantra seines Nachfolgers. Bezahlbaren Wohnraum schaffen durch jährlichen Neubau von mindestens 10.000 Wohnungen, kündigt er an, Investitionen in Kitas, Schulen und Hochschulen, schnellere Digitalisierung und mehr Polizisten – die sozialdemokratische Agenda einer Metropolenregierung bleibt unverändert. „Die Leute wollen, dass Hamburg sicher und sozial ist“, glaubt Tschentscher zu wissen, und fügt dann noch „und grün auch“ an. Die Grünen vernehmen es mit Freude.

Deren Zweite Bürgermeisterin Katharina Fege­bank ist erleichtert, dass es „keinen ewigen Olaf“ gibt: „Was mir bisher nicht gefallen hat, ist die vollständig fehlende positive Bezugnahme des Bürgermeisters auf die Koalition und den Regierungspartner.“ Tschentscher hingegen beteuert, „ich fühle mich zu Hause im Dialog mit grünen Partnern“. Rot-Grün könne gern auch nach der nächsten Wahl 2020 „weiter gemeinsam Verantwortung für diese Stadt gestalten“. Auch dieser Satz wäre Olaf Scholz niemals über die Lippen gekommen. Sven-Michael Veit

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen