das portrait: Tobias Mörike kuratiert den Islam
Die Karriere von Tobias Mörike kann man geradlinig nennen: Mit 17 Jahren begegnete er im Senegal zum ersten Mal einer islamisch geprägten Kultur. Er machte seinen Zivildienst in Jerusalem und lernte dort Arabisch, studierte dann in Berlin und Paris Afrika- und Islamwissenschaft. Jetzt leitet er die Sammlung islamischer Kunst im Museum für Kunst und Gewerbe und ist damit Hamburgs erster Kurator auf diesem Gebiet.
„In Senegals Hauptstadt Dakar habe ich einen mystisch geprägten, sehr offenen Islam kennengelernt“, sagt der 32-Jährige. „Inzwischen weiß ich, dass der Islam nicht auf einem abgeschlossenen Kosmos beruht, sondern immer auch auf Austauschbeziehungen wie mit dem christlichen Europa in all seinen Schattierungen.“ Diese Vielfalt innerhalb der islamischen Welt will er als Kurator herausarbeiten.
Vor zwei Jahren wurde die Islam-Sammlung erweitert, neu konzeptioniert und von der Ostasien-Abteilung getrennt. „Viele historische Objekte entstammen der Alltagskultur. Wir haben auch den Polospieler aus Keramik oder das Weingefäß“, sagt Mörike. „So ein bisschen irreführend ist der Begriff der islamischen Kunst.“
Deshalb will er die Geschichte der Sammlung selbst thematisieren. Für ihn ist der Begriff der islamischen Kunst vor allem eine westliche Definition des 19. Jahrhunderts, da das Museum viele Stücke in Weltausstellungen um die vorletzte Jahrhundertwende erworben hat. „Ich möchte die Objekte problematisieren“, sagt der gebürtige Berliner. Für künftige Ausstellungen plant Mörike, die Artefakte aus dem Museum mit zeitgenössischer Kunst ergänzen.
Im Museum ist er auch auf Verbindungen zwischen dem Hamburger Bürgertum und islamisch geprägten Regionen im 19. Jahrhundert gestoßen. Teil der Sammlung ist etwa ein reich verzierter Koran, den der Sultan Abdülmecid I. seinem heute namentlich nicht mehr bekannten Hamburger Leibarzt einst schenkte. „Der erste Korandruck wurde übrigens 1694 hier in Hamburg gemacht“, sagt Mörike.
Für die Zukunft wünscht sich der Kurator eines: „Ich möchte nicht den Kampf, sondern vielmehr die Konvergenzen der Kulturen zeigen.“ Leif Gütschow
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