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das portraitJoelle Seydou wehrt sich gegen sexuelle Übergriffe beim Boxen Boxsport

Möchte, dass, auch Boxerinnen über den Grad der körperlichen Nähe selbst entscheiden dürfen: Joelle Seydou Foto: Beatrice Bastian/Boxverband

Ein Hashtag ging um die Welt – #MeToo gab in den „sozialen“ Netzwerken all jenen Frauen eine Stimme, denen sexuelle Gewalt angetan wurde. Die US-Schauspielerin Alyssa Milano ermutigte betroffene Mädchen und Frauen, es in ihren Tweets zu verwenden, um auf das Ausmaß sexueller Belästigung und Übergriffe aufmerksam zu machen. Seitdem wurde es millionenfach verwendet. #MeToo half entscheidend dabei, die sexuellen Gewalttaten des US-Produzenten Harvey Weinstein öffentlich zu machen.

In Anlehnung an #MeToo hat nun eine junge Hamburger Boxerin eine Hashtag-Initiative ins Leben gerufen, mit der sie darauf aufmerksam machen will, dass es sexuelle Gewalt auch in anderen Bereichen des Lebens gibt – im Sport etwa. Die 22 Jahre alte Joelle Seydou, 2017 Bronzemedaillengewinnerin bei der Europameisterschaft, hat mit #CoachDontTouchMe eine Kampagne gestartet. Dazu inspiriert wurde sie durch den Fall einer nur ein Jahr älteren Hamburger Boxerin.

Diese war im Alter von 17 Jahren mit großen Hoffnungen an den Olympiastützpunkt nach Schwerin gewechselt. Dort traf sie auf den Trainer, den sie nach Jahren des Schweigens wegen erlittener sexueller Gewalt angezeigt hat. Der Beschuldigte, der einstige Schweriner Landestrainer Christian M., wurde beim Hamburger Amateur-Box-Verband (HABV) zunächst von seinen Aufgaben als Sportdirektor und Landestrainer entbunden. Der neue HABV-Vorstand, dem auch der Cousin des Beschuldigten angehört, hob die Suspendierung von Christian M. auf – quasi als erste Amtshandlung. „Ich habe immer geboxt, seit ich acht Jahre alt war. Boxen war mein Leben. Heute betrete ich keine Boxhalle mehr“, sagte die einstige deutsche Jugendmeisterin dem NDR.

Ihre Hamburger Faustkampf-Kollegin Seydou will sich nicht damit abfinden, dass der HABV im erhobenen Missbrauchsvorwurf die Aufklärung ausbremst. „Wir wollen zeigen, dass wir Boxerinnen eine Stimme haben“, sagte sie dem Spiegel. Auch sie habe schon Situationen im Sport erlebt, die ihr im Nachhinein unangenehm gewesen seien. „Es ist wichtig, dass über so etwas gesprochen wird.“ Das gelte gerade für das Boxen, einen Sport, in dem „99 Prozent der Trainer männlich“ seien.

Der Fall der einstigen Jugendmeisterin habe sie entsetzt. „Wir alle lieben das Boxen. Es kann nicht sein, dass manche von uns mit ihrem Sport aufhören müssen, weil sie sich im Ring oder in der Umkleidekabine nicht mehr wohlfühlen“, sagt Seydou.

Die Kampagne #CoachDontTouchMe ist nun angelaufen. Eine namhafte Unterstützerin ist Susianna Kentikian. „Lasst uns gemeinsam ein Zeichen setzen“, schreibt die mehrfache Weltmeisterin. „Es darf nicht sein, dass es Trainer gibt, die ihre Nähe zu den Sportlern nutzen und sich an ihnen sexuell vergreifen.“ GÖR

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