piwik no script img

das portraitKarlheinz Blessing schüttelt keine Hände

Karlheinz Blessing konnte am Donnerstag zu Hause bleiben. Der Volkswagen-Personalvorstand reiste offenbar nicht wie zunächst geplant an der Spitze einer Firmendelegation nach Brasilien. In Sao Paulo hätte er die Hände von ehemaligen VW-Beschäftigten in dem südamerikanischen Land schütteln sollen, die in der Zeit der Militärdiktatur von 1964 bis 1985 von VW ausspioniert, auf dem Werksgelände verhaftet, dem Regime ausgeliefert und teilweise über Monate gefoltert worden waren.

VW wollte am Donnerstag auf einer öffentlichen Veranstaltung Abbitte leisten und auf die Arbeiter zugehen. Die jedoch hatten angekündigt, nicht im Saal zu erscheinen, sondern vor dem Gebäude demonstrieren zu wollen. VW habe ihnen nicht erklärt, was das Unternehmen plane und keinen offiziellen Kontakt zu den Beschäftigten aufgenommen, hieß es zur Begründung. Daraufhin cancelte wohl auch VW das Event, wie der NDR meldete.

Dabei hätte Blessing als Chef der Delegation vermutlich keine so schlechte Figur abgegeben. Der 60-Jährige ist seit zwei Jahren Personalvorstand der Volkswagen AG. Mit einem Lebenslauf ganz nach dem Geschmack der IG Metall, die das Vorschlagsrecht für diesen Posten reklamiert: Nähe zur SPD, beste Industriekonzern-Kenntnisse und Politik-Erfahrung.

Aufgewachsen auf einem Bauernhof, trat Blessing schon als Schüler in die SPD ein, zeitweise saß er im baden-württembergischen Landesvorstand der Jusos. 1991 wurde er für zwei Jahre zum Bundesgeschäftsführer der SPD gewählt, bevor er in die Wirtschaft wechselte. Hier brachte er es bis zum Vorstandschef der Dillinger Hüttenwerke und der Dillinger Hütte Saarstahl AG, bevor ihn der VW-Aufsichtsrat auf den vakanten Vorstandsposten berief.

Als Stahlmanager brachte Blessing ohne größere öffentliche Proteste Personalkürzungen durch. An einer ähnlich kritischen Aufgabe darf er sich bei VW versuchen. Im Zuge der Abgasaffäre hat der Autobauer seinen Sparkurs deutlich verschärft. Zwar hatte der Konzernvorstand auf Druck der Arbeitnehmervertreter eine Jobgarantie für die Stammbelegschaft gegeben, betroffen von Entlassungen sind aber Leih- und Zeitarbeiter. Für Brasilien gilt das vorerst nicht. VW do Brasil gehört seit Jahrzehnten zu den erfolgreichsten Werken des Volkswagen-Konzerns.

Reimar Paul

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen