das portrait: Gabriele Andretta, die neue Nummer eins im Land
Sie hat in ihrem Leben schon viele Label aufgedrückt bekommen: Arbeiterkind aus einer Großfamilie, stillende Abgeordnete, Alleinerziehende. Ausbremsen lassen hat sich Gabriele Andretta (SPD) nie, sondern stattdessen Karriere gemacht. Gestern wurde die 56-Jährige einstimmig zur Landtagspräsidentin von Niedersachsen gewählt.
Das ist eine kleine Revolution. Denn in 71 Jahren Landesgeschichte hat diesen begehrten Posten, der mit doppelten Diäten vergütet wird, noch nie eine Frau bekommen. „Das ist ein deutliches Signal zur Gleichstellung“, sagt Andretta. Das ist nötig, denn von den 137 Landtagsabgeordneten der aktuellen Wahlperiode sind nur 38 Frauen. Damit ist der Frauenanteil auf unter 30 Prozent gesunken.
Die Landtagspräsidentin ist die höchste Repräsentantin des Parlaments. Sie leitet die Plenarsitzungen, erteilt Ordnungsrufe und wird traditionell von der stärksten Fraktion vorgeschlagen. Andretta, die schon fünf Mal ihren Wahlkreis in Göttingen direkt gewonnen hat, war seit 2013 schon die Stellvertreterin des bisherigen Präsidenten Bernd Busemann (CDU).
Im Parlament sorgte sie gleich nach ihrer Wahl im Jahr 1998 für Aufsehen, als sie ihr Baby mit in den Plenarsaal brachte. „Luna und ich, wir waren nicht willkommen“, sagte Andretta dem NDR. Es habe keine Möglichkeit gegeben, sich zum Stillen zurückzuziehen. „Das habe ich als Belastung erlebt.“
In ihrer neuen Rolle will sich Andretta ebenfalls für Frauen einsetzen. „Sie sind überall aktiv, aber selten an der Spitze“, sagt die Doktorin der Sozialwissenschaften.
Auch sie selbst hat sich etwas vorgenommen: „Ich werde alles tun, um eine faire, gerechte und unparteiische Präsidentin zu sein.“ Alles dulden will sie allerdings nicht. Es sei eine Verpflichtung für alle Demokraten, „unsere Stimmen immer und überall gegen jegliche Formen von Ausgrenzung, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu erheben“. Gestern hat auch zum ersten Mal die AfD im Landtag Platz genommen. Andrea Scharpen
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