piwik no script img

das ding, das kommtDer SUV der anderen

Projektions‑ fläche auf Rädern: das Lastenrad Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

Ein beinahe beliebiger Griff in den Nachrichtenstrom: Der Lübecker Linkspartei ist das Lastenrad geklaut worden – und das, wo sie doch nun so dringend Wahlkampf damit machen müsste! Hinweise, die zur Wiederbeschaffung führen, werden mit ewiger Dankbarkeit und 50 Westmark, äh, Euro belohnt.

Über höhere Geldbeträge sprechen wir bei der Lastenradförderung: Auf solche Zuschüsse zur Anschaffung kommen Städte und Gemeinden, die verstanden haben, dass Lastenräder unter möglichst vielen Einwohner_innenhintern dazu beitragen können, den motorisierten Verkehr auf kürzeren Wegen zu reduzieren. Die Förderung fällt mal mehr, mal weniger üppig aus – und mal mehr, mal weniger bürokratisch: In Osnabrück etwa sei das Beantragen schwieriger als irgendwo sonst in Niedersachsen, klagte ebenfalls dieser Tage der örtliche ADFC. Die gescholtene Stadt soll bereits nachzubessern angekündigt haben.

In dem Maß aber, wie das Lastenrad rollender Baustein einer Verkehrswende weg vom Auto ist, taugt es für jene, die da (noch) nicht mit an Bord sind, zum bequemen Feindbildplatzhalter; ein wenig, wie es für Nichtgrüne mal die Birkenstock-Sandale war. Oder für Sehrwohlgrüne heute der überdimensionierte Geländewagen im Wohnviertel. Dass uns nämlich die Dinge der anderen leichter machen, über deren ganzen Lebenswandel zu richten – soziologisch eine Binsenweisheit.

So war es dann auch kaum Zufall, als, wiederum dieser Tage, ein (Berliner) FDP-Fritze über irgendwelche vermutlich die Binnennachfrage ausbremsenden Fahrradstreifen murrte, man werde „nicht alles aufs Lastenrad bekommen“. Liberalismus aber, Fortbewegung und gut gereiftes Ressentiment gegen konkurrierende Weltsichtangebote: Da ist der Weg nur kurz zum Springer-Journalisten Ulf Poschardt. Der pinselte zu Wochenanfang in einem Welt-Kommentar dieses Bild: „Die intellektuellen und kulturellen Eliten haben den Denkhorizont auf die Reichweite ihres Lastenfahrrads reduziert“, was irgendwie so gemeint war, dass am Siegeszug der Taliban in Afghanistan Schuld trage, wer keine Fernreisen mehr per Flugzeug unternimmt. Äh.

Wäre für den Potsdamer Elitenfresser mit der Schwäche für schnittig verpackte Verbrennungsmotoren wohl der „musikalische Spaziergang“ durch den hannoverschen Stadtteil Sahlkamp etwas, „in dem an die 100 verschiedene Nationen zusammenleben“? Den richten am Donnerstagnachmittag der Stadtteiltreff und die Internationalen Stadtteilgärten aus – per Lastenrad. Die Sache ist Teil eines „mobilen transkulturellen Festivals“ namens „City Flow“, alles Nähere dazu auf www.wir-werk.kargah.de.

Alexander Diehl

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen