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crime sceneStina Jackson erzählt von Preppern im Mittsommer

Der Norden Schwedens ist dünn besiedelt, Ortschaften liegen weit auseinander, dazwischen endlos scheinende Wälder. Eine Landschaft, wie geschaffen für Menschen, die die Gesellschaft anderer scheuen. Hierhin hat es die junge Meja verschlagen, deren nichtsnutzige Mutter über das Internet einen Kerl gefunden hat: Torbjörn ist ein alter, leicht verwahrloster Eigenbrötler, der abgelegen wohnt, zeit seines Lebens allein gelebt hat und in der ganzen Gegend für seine gigantische Pornosammlung bekannt ist. Immerhin hat Meja bei ihm im Haus ein eigenes Zimmer, auch wenn es nur ein Kämmerchen unter dem Dach ist.

Bei ihrem Einzug wissen die Frauen weder von den Pornos noch von der großen lokalen Tragödie: Drei Jahre zuvor ist die 16-jährige Lina spurlos verschwunden, als sie ganz in der Nähe frühmorgens auf den Bus wartete. Die Ehe ihrer Eltern ist darüber zerbrochen. Während Linas Mutter den Tod der Tochter betrauert, sucht der Vater immer noch wie besessen nach dem Mädchen. In den hellen Sommernächten fährt ­Len­nart, genannt Lelle, durch die Gegend und erkundet abgelegene, verlassene Häuser im Wald.

Stina Jackson:„Dunkel­sommer“. Aus dem Schwedischen von Kerstin Schöps. Goldmann Verlag, München 2019, 352 S., 15 Euro

Stina Jackson erzählt abwechselnd aus der Perspektive von Lelle und Meja. So ungleich die beiden scheinen, haben sie etwas Wichtiges gemeinsam: Sie sind ganz und gar auf sich gestellt. Lelle hat sich mit seiner besessenen Suche nach der verschwundenen Tochter aus der Gemeinschaft der „Normalen“ verabschiedet. Und Meja hat früh lernen müssen, allein zurechtzukommen, da die Mutter ihr keinen Schutz bieten kann. Zwei einsame Wölfe also, deren Erzählungen lange parallel laufen, aber sich irgendwann berühren; denn nach dem Sommer muss Lelle wieder zurück in seinen Job als Lehrer am Gymnasium, und Meja will ihr Abitur machen.

Das stößt allerdings bei der Familie ihres neuen Freundes, zu dem sie inzwischen gezogen ist, nicht auf Begeisterung: Völlig zurückgezogen wohnt das Ehepaar mit seinen drei erwachsenen Söhnen auf einem großen Stück Land, das sie als Selbstversorger bewirtschaften, weil, wie sie glauben, der Weltuntergang bevorstehe.

In diesem Roman scheinen die nördlichen Wälder voll zu sein mit Menschen, die aus verschiedenen Gründen mit der Welt nichts zu tun haben wollen. Die rastlosen Autofahrten des verzweifelten Lelle führen aber neben erschreckenden Einblicken in parallele Lebenswelten auch die Schönheit und Weite der Landschaft vor, die unberührt von allem bleibt, was Menschen in ihr tun. Zum Beispiel, als schon wieder ein junges Mädchen verschwindet …

In diesem Roman sind die nördlichen Wälder voller Menschen, die mit der Welt nichts zu tun haben wollen

Eine permanente, unterschwellige Spannung, eine unbestimmt bedrohliche Atmosphäre bestimmt die Lektüre. Beides speist sich vor allem aus der Erzählperspektive und der sorgsam angelegten Figurenpsychologie, denn sowohl Meja als auch Lelle haben allen Grund, von der Welt nichts Gutes zu erwarten. In gesteigerter, grotesk verzerrter Form findet sich diese Haltung auch bei der Prepper-Familie wieder, die Meja aufnimmt.

Und über allem wacht permanent die irre Mittsommer-Mitternachtssonne: „Draußen schimmerte ein strahlend blauer Nachthimmel und ein bläulicher Wald, so weit das Auge reichte.“ Eine trügerische Schönheit ist in dieser Landschaft, in der viele Menschen im Sommer nicht schlafen können. Dann passieren Dinge. Furchtbare Dinge. Aber wie gern liest man vom Furchtbaren, wenn es so fantastisch erzählt wird wie hier.Katharina Granzin

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