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corona in bremen„Es hat sich relativ wenig geändert“

Foto: prprivat

Philipp Schulz

32, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Interkulturelle und Internationale Studien und zusammen mit Gundula Ludwig die Leitung des Projekts „Covid-19 – ein Mosaik“.

Interview Teresa Wolny

taz: Herr Schulz, die Ausstellung soll einen neuen Blickwinkel auf die Coronakrise eröffnen. Wurde sie nicht bereits aus jedem erdenklichen Blickwinkel betrachtet?

Philipp Schulz: Mittlerweile vielleicht tatsächlich, aber zumindest, als wir angefangen haben, das Projekt im Frühjahr zu konzipieren, war das noch nicht der Fall. Da hat sich viel getan. Die Ausstellung führt unterschiedliche gesellschaftskritische Instrumentarien und Perspektiven aus den Geisteswissenschaften zusammen. Was bedeutet die Krise etwa aus kapitalismuskritischer, antirassistischer und queerfeministischer Perspektive? Ich denke, dieses Zusammenführen hebt die Ausstellung von anderen Diskursen ab.

„Seuchen ohne Seuchenpolitik gibt es nicht“, heißt es in der Ausstellung. Was bedeutet das?

Einmal gibt es mit Covid-19 die Seuche aus virologischer und gesundheitlicher Perspektive. Auf der anderen Seite gibt es die Maßnahmen, die getroffen werden, um dagegen vorzugehen. Der Untertitel der Ausstellung lautet „Politiken des Lebens in Zeiten der Corona-Krise“. Das verweist darauf, dass die verschiedenen Leben immer politisch sind, dass also das Private politisch ist. Die Ungleichheiten, die sich dabei zeigen, sind zwar nicht neu, sie zeigen sich jetzt in der Krise aber wie unter einem Brennglas.

Auch hier spielen Privilegien eine Rolle. Welche Privilegien bemerken Sie an sich selbst?

Auch das ist nicht neu, wurde aber gerade in der Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Akteur:innen für die Ausstellung sehr deutlich. Aus den Gesprächen ging hervor, wie privilegiert die Position, aus der wir die Ausstellung konzipiert haben, eigentlich ist. An der Uni gibt es zwar grundsätzlich prekäre Verhältnisse, diese wurden aber durch die Pandemie nicht direkt verstärkt. Es gab diesen Spagat, mit dem wir uns auch auseinandergesetzt haben: Was bedeutet es, Perspektiven von Wohnungslosen, Erntehelfer:innen oder Sexarbeiter:innen auszustellen, die extrem von den derzeitigen Politiken betroffen sind, aber im Mainstream-Diskurs nicht gehört werden? Wir wollen ihnen nicht aus einer paternalistischen Perspektive heraus eine Stimme geben, aber wir stellen ein Forum bereit. Darin sollen auch die Besucher:innen der Ausstellung angeregt werden, sich mit ihren eigenen Privilegien auseinanderzusetzen.

Wenn man diese eigenen Privilegien anerkannt hat, wie geht es dann weiter? Wie kommt man vom Verstehen zum Handeln?

Online-Ausstellung: „Covid-19 – ein Mosaik“, ein Projekt von Studierenden, abrufbar auf www.covid19-mosaik.de

Ein erster Schritt ist, denke ich, das Realisieren und die Bereitschaft, sich damit auseinanderzusetzen. Dann muss man schauen, was man darauf basierend im eigenen Leben daraus ziehen kann. Ein Beispiel ist ein Beitrag mit der Freien Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union (FAU) Bonn zur Situation von Erntehelfer:innen. Unter den Bedingungen der ersten Welle sollten diese trotzdem arbeiten, damit Familie Mustermann am Sonntag weiter Spargel essen kann. Bei anderen Beispielen ist das weniger offensichtlich, da geht es etwa mehr um Betroffenheit oder auch um Solidarität.

Kann die Krise Dinge also auch zum Guten verändern?

Mittlerweile bin ich da aber pessimistischer. Ein Beispiel dafür ist die Care-Arbeit. Da wurde am Anfang drei, vier Tage für mehr Aufmerksamkeit und bessere Entlohnung geklatscht. Wenn es jetzt aber ums Eingemachte geht, sehe ich davon wenig. Gleiches gilt für die Kinderbetreuung. Es hätte durch die Krise die Chance gegeben, sie in den Familien gleichberechtigt zu verteilen. Aber wenn man die Situation nach der Schließung von Schulen und Kitas jetzt anguckt, hat sich relativ wenig verändert. Zu genau dieser Frage gibt es in der Ausstellung übrigens auch einen Podcast, der zu ähnlich pessimistischen Einschätzungen kommt.

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