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corona in bremen„Viele unserer Teilnehmenden wissen, wie sie sich schützen“

Foto: privat

Wendla Pahnke, 29, ist Kunstpädagogin im Malatelier von Blaumeier.

Interview Dominika Vetter

taz: Frau Pahnke, das Blaumeier-Atelier in Walle ist normalerweise ein Ort des kreativen Schaffens. Was davon kann momentan stattfinden?

Wendla Pahnke: Mitte März haben wir wegen Corona schlagartig das Atelier geschlossen. Seitdem bieten wir keine Kurse mehr an, vor Ort im Atelier findet nichts mehr statt. Wir haben aber improvisiert, wir bringen den Teilnehmer*innen zum Beispiel Care-Pakete nach Hause.

Was ist in den Paketen?

Staffeleien, Leinwände, Farben, persönliche Gegenstände der Künstler*innen. Oder auch angefangene Bilder. Wir haben einen Blog erstellt, mit dem wir uns über zu Hause entstandene Werke austauschen. Mit den Teilnehmenden in Kontakt zu bleiben ist für alle Kolleg*innen momentan das Wichtigste. In jeder Gruppe, auch in den anderen künstlerischen Bereichen, gibt es irgendeine Form von Online-Austausch. Wir greifen oft auf das Telefon zurück, weil nicht alle mit Internet ausgestattet sind. Das ist ein kritischer Punkt, denn wir haben einen inklusiven Anspruch, merken aber, dass wir nicht alle durch unser Angebot erreichen können.

Sind unter Ihren Teilnehmer*innen viele Menschen aus Risikogruppen?

Wir wissen das nicht im Detail, weil wir die Diagnosen der einzelnen Menschen nicht kennen. Und das ist auch Teil des Prinzips bei Blaumeier, dass wir Menschen nicht über ein Defizit betrachten. Natürlich gibt es viele Teilnehmende mit Beeinträchtigungen. Viele davon kommen jetzt ins Schwimmen, denn sie können weder zur Arbeit gehen, noch Freizeitangebote wahrnehmen.

Sie kriegen also mit wie es den Künstler*innen zu Hause geht?

Am Telefon fragen wir die Künstler*innen immer zuerst, wie es ihnen geht und wie sie zurecht kommen, erst dann fragen wir, wie sie mit ihrer künstlerischen Arbeit vorankommen. Wir übernehmen da eine Rolle, die wir sonst nicht übernehmen. Gerade Menschen, die in Wohngruppen leben, sind oft isoliert. Wie es weitergeht, ist eine Frage, die viele beschäftigt. Einige sind unmotiviert, weil ihnen das Atelier und die anderen fehlen. Still und allein zu Hause zu arbeiten, ist einfach etwas anderes. Teil einer Gruppe zu sein, ist für viele wichtig. Das ist auch der Leitgedanke unserer inklusiven Arbeit: gemeinsam an Projekten zu arbeiten.

Wie wird es denn in Zukunft mit Blaumeier weiter gehen?

Wir stehen vor einem Dilemma, wenn wir überlegen müssen, wer wiederkommen darf, wenn wir aufmachen und für wen es ein zu großes Risiko bedeuten würde. Denn es macht uns eigentlich ja gerade aus, keine Unterschiede zwischen Teilnehmenden zu machen. Von einigen wissen wir, dass sie sich noch nicht zutrauen würden, zu kommen, andere schon. Deswegen werden wir mit jeder Person einzeln sprechen und gemeinsam ein Konzept entwickeln. So wie vorher werden wir nicht einsteigen können, das ist klar. Wir alle haben in den letzten Wochen gelernt, wie wir mit der Situation umgehen können. Viele unserer Teilnehmenden wissen genau, wie sie sich schützen können. Inzwischen halten wir es für wichtig, dass auch inklusive Freizeitangebote wie Blaumeier wieder öffnen, damit diese Menschen wieder selbstbestimmter leben können.

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