cool runnings: Alles neu macht die Sportartikelmesse ispo

Alpen-Faces mit Back Brace

München ist die Hauptstadt eines Landes, das bei vielen Nichtbayern als exotisch gilt. Dennoch dürften nur wenige bestreiten, dass man sich mit Deutsch ganz gut verständigen kann in der Weißwurstmetropole. Es gibt jedoch Orte in München, an denen das nicht der Fall ist. Selbst mit gut konserviertem Schulenglisch wird man sich auf der Sportartikelmesse ispo, deren Winterausgabe diese Woche zu Ende ging, nur schwer zurechtfinden.

Dass Sport Sports heißt, daran hat man sich bereits gewöhnt. Das Wort Running werden ebenfalls noch die meisten verstehen. Viele dürften sich allerdings wundern, warum das Laufen nicht mehr Jogging heißt. Jogging! „Das ist 20 Jahre her“, schallt es einem von den Messeständen der Funktionskleidungsausstatter entgegen. Der Betreiber eines großen Laufsportladens in Norddeutschland stellt beinahe angewidert fest: „Schauen Sie mal, wie viele Läufer heute noch mit Baumwollshirts laufen!“ Hier setzen die Sportartikelhersteller ein und präsentieren „Windstopper Underwear“ und „Windstopper Next to Skin“. Running wird gepusht, weil man das Laufen als Ganzjahressport etablieren will. Dazu bietet sich vor allem die Sparte Trail Running an, was einem – wenn man es mit Waldlauf übersetzt – irgendwie bekannt vorkommt.

Überhaupt sieht man die Fast-Forward-Sportarten im Kommen. Dazu gehört auch eine Disziplin, deren Name eher auf gemächliche Fortbewegung schließen lässt: Nordic Walking. Für das Gehen mit Skistöcken braucht der ambitionierte Walker natürlich Spezialschuhe und Spezialstöcke, spezielle Funktionskleidung sowieso. Auch Nordic Walking ist eine der für die Branche so attraktiven Ganzjahressportarten. Das kann man vom XC (sprich Ex Si) Skiing nicht behaupten. Denn dafür braucht es Schnee. XC steht für Cross Country und XC Skiing ist eigentlich nichts anderes als der gute alte Langlauf. Weil die Branche vermutet, dass sich die jungen Menschen auch wieder außerhalb von Fitnessstudios um ihren Body kümmern wollen, hat man das deutsche Wort wohl wegen seiner Altbackenheit abgeschafft.

Snowshoe-Cross ist die vierte der Fast-Forward-Disziplinen, die in einem Staffelwettbewerb auf dem Freigelände der Messe vorgestellt wurden. Auch das Schneeschuhwandern, das viele Wintererholungsorte für Naturfreunde anbieten, ist also beschleunigt worden. Wer mit den Snowshoes unterwegs ist, will die Natur nicht beobachten, sondern als Sportarena nutzen, natürlich mit der Ausrüstung eines namhaften Sportartikelherstellers. Vielleicht gibt es Snowshoes schon bald von der Firma mit dem Swoosh.

Worauf all die Fast-Forward-Sportler, die demnächst die Parks und Forests Deutschlands durcheilen werden, nicht verzichten können, ist die Softshell-Kleidung, der Textiltrend 2003. Das „leichte, winddichte, wasserabweisende, strapazierfähige, weiche und kompakte“ Material hat den Vorteil, dass man es inzwischen als Midlayer oder als äußerste Schicht in den Kleidungsstücken verarbeiten kann, was es „extremst“ funktional macht. Die Adjektive der ispo-Sprache sind also noch deutsch. Dennoch wirken sie wie Fremdkörper in der Welt der piz-buin-braunen Alpen-Faces mit der blondierten Männerlanghaarmähne.

Die stylischen Naturburschen bestimmen die Hallen, in denen es ums Board geht. Da kann das Spazierengehen noch so sehr als Power-Walking gepusht werden, die Boarderszene ist immer eine Spur schriller als die anglifizierten Traditionssportarten. Für das Snowboarden gibt es einfach kein deutsches Wort. Sieht man jedoch in die Gesichter der zwanghaft jugendlichen Community, so sind schon viele Falten zu sehen. Doch weil man auf der ispo auch das Thema Wellness findet, muss man sich um die Adoleszenzbemühungen einer alternden Szene keinen großen Gedanken machen. Wenn der Rücken nach allzu vielen Absitzern mit dem Board ein wenig zwickt, kann man sich an den Ständen der Sportmedizinhersteller schon einmal nach einem elastischen Back Brace erkundigen. Auch ein schönes Wort: Wer gibt schon gern zu, dass er ohne Rückenstütze nicht mehr auf die Piste kann.

ANDREAS RÜTTENAUER