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cdu und einwanderungNeue Vokabel, alte Lebenslüge

Innensenator Eckart Werthebach hat die Chance gleich erkannt. Der Formelkompromiss zur Einwanderung, den er jetzt von der Bundespartei übernahm, bietet allen Parteiflügeln genügend Raum für die Projektion des jeweils eigenen ausländerpolitischen Programms – wie es sich für eine Volkspartei gehört. Während sich die Hardliner über die geforderte Einschränkung des Asylrechts freuen, dürfen es die Liberalen – zu Recht – als Paradigmenwechsel feiern, dass die Partei ihre Aversion gegen das Wort „Einwanderung“ abgelegt hat.

Kommentarvon RALPH BOLLMANN

Vermitteln kann einen solchen Schritt natürlich nur ein Politiker mit dem Hardliner-Image eines Eckart Werthebach, der keinen Widerspruch von rechts befürchten muss – ganz so, wie es nur eine sozialdemokratische Bundesregierung wagen darf, den Sozialstaat alten Stils zu demontieren. Wenn der Innensenator den Kurswechsel propagiert, so beruhigen sich die Mannen vom rechten Flügel, dann werde es so schlimm nicht kommen.

Eine Debatte im rechtslastigen Spandauer Kreisverband zeigte allerdings: Der Wunsch, sich unter der kalten Dusche des ausländerpolitischen Kurswechsels nicht nass zu machen, ist unter Christdemokraten weit verbreitet. Gerade die Hardliner, die auf diesem Politikfeld bislang den Ton angaben, wollen das neue Vokabular lediglich nutzen, um mit den alten Lebenslügen fortzufahren. Da redet der ausländerpolitische Sprecher der Fraktion trotz sinkender Geburtenraten von einem übervölkerten Europa, und der Generalsekretär der Landespartei schwadroniert über das „Türkenproblem“.

Vom katholischen Verhältnis zwischen Theorie und Praxis verabschiedet sich die CDU also auch im protestantischen Berlin keineswegs. Hatte die Union Einwanderung bislang offiziell bekämpft und stillschweigend geduldet, scheinen sich die Verhältnisse jetzt umzukehren: Lauthals rufen Politiker wie Werthebach nach einem Einwanderungsgesetz – und haben dabei nichts anderes im Sinn, als den Zustrom von Ausländern einzudämmen.

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