cdu in der krise: Die totale Therapie
Kaum einer hat seine Genossen einmal so in Rage gebracht wie Wolfgang Nagel. 1995 hat der Ex-SPD-Bausenator seine Partei als größte Selbsterfahrungsgruppe Berlins bezeichnet. Das war nach einer verlorenen Wahl, aus der die SPD mit 25 Prozent hervorging. Der Rest ist bekannt.
Kommentar von UWE RADA
Anders als die SPD von damals erweist sich die CDU schon vor der Wahl als Psychogruppe. Man muss es sich nur einmal bildlich vorstellen: Frank Steffel, Helmut Kohl, Eberhard Diepgen und Klaus Landowsky sitzen im Kreis und fragen im Chor: „Wer sind wir?“, „Wohin wollen wir?“ Das ganze Elend muss sich dann ein Werbeprofi anhören und als Aufbruch verkaufen. Ein gemeinsamer Kinoabend tät’s auch. Zum Beispiel „Die totale Therapie“. Da bleibt am Ende keiner mehr übrig. Nicht mal der Therapeut.
Die Berliner CDU befindet sich in der Tat in einer klassischen Double-bind-Situation. Alles, was sie jetzt macht, kann nach hinten losgehen: der Auftritt von Helmut Kohl, die Verzögerung beim Wahltermin, der Frontstadtwahlkampf, die Konzentration auf Frank Steffel.
Diese Orientierungslosigkeit ist den Christdemokraten derzeit ins Gesicht geschrieben. Nicht nur wissen sie nicht, wogegen oder wofür sie Wahlkampf machen sollen, sie wissen auch nicht mit wem. Was ist die richtige Mischung? Steffel auf Diepgen und Lando, gewürzt mit einer Prise Kohl? Oder Steffel pur?
Solche Fragen kann auch ein Therapeut nicht schnell lösen, insofern ist das Spiel auf Zeit nur konsequent. Aber Zeit wird die CDU ohnehin mehr haben als die bis zum nächsten Wahltermin. Von Wolfgang Nagel könnte sie dann erfahren, dass auch die SPD zehn Jahre brauchte, um eine Krise als Chance zu nutzen.
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