bundeswehr als polizei: Notstand bei der CDU
Wie uns von Politikern ständig versichert wird, gilt es jetzt, nach den Terroranschlägen, die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit zu halten. Der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel ist allerdings schon zu Beginn dieses Kunststücks die Balancierstange entfallen. Die Lage scharfsinnig analysierend, teilt sie uns mit, dass die äußere und innere Sicherheit „immer mehr verschwimme“. Weshalb auch die scharfen Grenzen zwischen den Aufgaben der inneren Sicherheit (Polizei, Bundesgrenzschutz, Bundeskriminalamt und der Verteidigung nach außen (Bundeswehr) „so nicht aufrechtzuerhalten sind“.
Kommentarvon CHRISTIAN SEMLER
Wo soll die Bundeswehr eingesetzt werden? Zum Objektschutz herausragend symbolträchtiger Gebäude und zur Bekämpfung von Terroristen, falls Bundesgrenzschutz und Polizei nicht „über geeignete Kapazitäten verfügen“. Seltsam. Wurden wir nicht Jahr um Jahr mit Berichten überhäuft, wie geeignet und kompetent die Antiterroreinheiten des Grenzschutzes funktionieren? Und hilft dieselbe Behörde nicht stets dann aus, wenn es an Objektschützern oder Demonstrationsbewachern mangelt? Was ist das Neue an der viel beschworenen neuen Situation, das uns zwänge, am Grundgesetz herumzuhantieren? Wieso sollten Einheiten der Bundeswehr das können, woran es Polizei und Geheimdiensten gebricht? Zum Beispiel Kenntnisse fremder Sprachen, deren sich mutmaßliche Terroristen des Auslands tückischerweise am Telefon bedienen? Auch gehören Infiltration und Zersetzung terroristischer Gruppen nicht gerade zum Standardrepertoire unserer Soldaten.
Selbst wenn Angela Merkel innen und außen vor den Augen verschwimmen, bedeutet das noch lange nicht, dass die klare Aufgabentrennung zwischen Streitkräften und Sicherheitskräften aufgehoben werden kann. Für den Einsatz der Bundeswehr als Polizei statuieren die Notstandsartikel des Grundgesetzes klare Voraussetzungen. Die erste ist die Erklärung des „Spannungsfalls“ durch eine 2/3-Mehrheit des Bundestages. Das Notstandsrecht im Grundgesetz spiegelt in seiner restriktiven Endfassung den erbitterten Kampf wider, den die demokratische Linke in den 60er-Jahren gegen ein neues Ermächtigungsrecht geführt hat. Damals gelang es nicht, den „Spannungsfall“ gänzlich zu beseitigen. Aber so wie er jetzt gefasst ist, zeitlich begrenzt und parlamentarisch reguliert, stellt er eine rechtsstaatliche Schranke dar, die keinesfalls unterschritten werden darf.
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