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brüsseler spitzenÜberdosis Deutschland

die eu-parlaments-kolumne

von Eric Bonse

Wie viel Deutschland verträgt die EU? Für einen Deutschen, noch dazu in Brüssel, ist das eine heikle Frage. Man will ja nicht gegen sein eigenes Land anstinken. Andererseits will man auch nicht riskieren, dass sich die anderen Europäer überrollt fühlen. Wenn von den „Krauts“ im „Panzer“ die Rede ist, ist alles zu spät!

Doch genau das könnte in den nächsten Tagen und Wochen passieren. Zwar sind weder Krauts noch Panzer unterwegs. Doch auf eine Überdosis Deutschland müssen sich die EU-Partner einstellen. Deutschland wird zum Nabel der Welt, das „deutsche Europa“ (Ulrich Beck) wird wieder einmal die Gemüter erregen.

Es hat sogar schon angefangen, ausgerechnet im Kanzleramt in Berlin. Haben Sie die Bilder vom Vorbereitungstreffen für den G-20-Gipfel in Hamburg gesehen? Die halbe EU war da, einschließlich Kommissionschef Jean-Claude Juncker und Ratspräsident Donald Tusk. Doch alles drehte sich um die deutsche Kanzlerin, um Angela Merkel.

Am Samstag geht es weiter, mit Altkanzler Helmut Kohl. Beim „euro­päi­schen Staatsakt“ in Straßburg und Speyer wird sich nicht nur ganz Europa, sondern auch die halbe Welt verneigen. Vor Kohl, dem „Vater der deutschen Einheit“, natürlich. Aber auch vor Deutschland, das die Wiedervereinigung Europas möglich gemacht hat.

Der Staatsakt könnte der euro­päi­schen Einigung einen neuen Schub geben, hofft Juncker. Doch die Sache könnte auch nach hinten losgehen. So fürchtet der Meinungsforscher Manfred Güllner einen „eher negativen Effekt“. Schließlich sei die „deutsche Dominanz“ in Europa schon jetzt ein Problem.

In der Tat. Engländer oder Griechen könnten die Zeremonie als Hohe Messe für das deutsche Europa missverstehen, in der „Kaiser Kohl“ oder „Königin Merkel“ geehrt werden.

Tja, und dann kommt natürlich noch der G-20-Gipfel. Der findet ja auch in Deutschland statt, in der neuen „Hauptstadt“ Hamburg, wie ein Nachrichtenmagazin titelte.

Für Juncker, Tusk und die anderen Europäer bleibt da nur noch eine Statistenrolle – genau wie bei der Bundestagswahl, die sich nahtlos an die Hamburgshow anschließt. Selbst Martin Schulz, immerhin auch ein ­erfahrener Europäer, wird sich wohl mit der zweiten Reihe begnügen müssen. Dabei ist er doch auch ein Deutscher!

Wie viel Deutschland verträgt die EU? Vielleicht ist das die falsche Frage. Wie viel Merkel verträgt Europa?, das könnte es schon eher treffen.

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