blumen und bienen: Aufklärung im Museum
Pflanzensex
Man erinnert sich noch schwach an die von Eltern und Großeltern verbreitete Geschichte mit den Blumen und den Bienen, bei denen das, was einen als Nachwuchssexalforscher so innig interessierte, angeblich so ähnlich ablief wie bei den Menschen. Mit der eigenen Spezies hat man das dann später irgendwie auf die Reihe bekommen. Nur was die Insekten da mit den Pflanzen so treiben, blieb im Dunklen.
Aufklärung tut folglich Not. Die bringt uns nun endlich das Botanische Museum in Dahlem mit einer neuen Sonderausstellung zu Blütenbiologie. Und siehe da: Unsere verklemmten Aufklärer wollten uns mit ihren verklemmten Andeutungen keineswegs verschweigen, was wir schon immer über Sex wissen wollten. Im Gegenteil. Es war ein zwar leicht verschwiemelter, aber umso ehrlicherer Hinweis auf das echte Leben. Denn Flora und Fauna treiben es so bunt wie wir. Mit Lug und Trug allerorten. Oder wie es im Ausstellungstitel heißt: „Sex im Pflanzenreich – Lust und Frust“.
Da gibt es etwa Blumen mit betörendem Duft, in lockenden Farben und in täuschendem Gewand. Denn was aussieht und vor allem riecht wie ein hübsches Weibchen, entpuppt sich dem heranschwirrenden Insektenherrn manchmal – ein raffinierter Trick – als Sexualtäuschblume. Unter Vortäuschung falscher Tatsachen machen sie Fliegen, Käfer, Schmetterlinge und Vögel heiß und dann zu „Liebesboten“ für die Verbreitung ihres eigenen Pollens. Sie locken Insekten auch sexuell an und nutzen sie dabei nur aus. Statt Sex gibt es nur schnöden Blütenstaub zum Mitnehmen.
Vor allem Orchideen ahmen mit ihren Blüten in Form und Oberfläche weibliche Insekten nach. Die männlichen Artgenossen fallen darauf rein, erklärt Walter Lack, Professor für Botanik und verantwortlich für die Ausstellung: „Männchen fliegen die Blüten an und versuchen, mit ihnen zu korpulieren. Das funktioniert natürlich nicht. Auf Lust folgt schnell Frust: Das unbefriedigte Insektenmännchen fliegt zur nächsten Blüte. Den Pollen der ersten Begegnung trägt er so weiter und bestäubt sie. So hat die Pflanze ihr Ziel erreicht, und das ausgetrickste Insektenmännchen sucht frustriert weiter nach einem Sexualpartner. Und ebenfalls fast wie im humanen Leben: Insektenweibchen fallen nicht so häufig auf die pflanzlichen Äußerlichkeiten rein.
Richtige „Sexorgien“ finden hingegen bei der Aasblume „Rafflesia“ statt, so der Naturwissenschaftler. Mit einem Durchmesser von einem Meter ist sie die größte Blüte des Pflanzenreichs und wächst im Urwald Südostasiens. Für menschlichen Nasen stinkt sie zwar unglaublich nach verwesendem Fleisch, aber Aasfliegen fliegen darauf total ab. Selbst aus weiter Entfernung werden sie zu tausenden angezogen. Eine wahre Kontakt- und Sexbörse, wie Botaniker Lack weiß: „Zehntausende von Aasfliegen krabbeln auf die Blüte und suchen sich eine Sexpartnerin.“ In der Ausstellung ist das stinkende Lotterbett als Modell zu sehen – zum Glück aus Plastik und geruchsfrei. Zu sehen ist das Ganze täglich von 10 bis 18 Uhr noch bis zum 2. März. BK
Infos: www.bgbm.fu-berlin.de
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen