big in korea: FRANK KETTERER über einen Brief an Rudi Völler
Storno einer Reise
Der Präsident höchstselbst war gekommen in die etwas muffige Turnstube der Korean Baseball Hall of Fame, um dort „aus aktuellem Anlass“, wie es vom DFB hieß, ein Wort zur Lage loszuwerden an die versammelten Medienvertreter. „Es hat ja da einige Unstimmigkeiten gegeben“, hob Gerhard Mayer-Vorfelder an. Am Ende seiner Ausführungen erklärte er „das Kriegsbeil für begraben“. Dazwischen lag die Klarstellung, dass die Mannschaft nach ihrem Viertelfinalspiel in Ulsan am Freitag gegen die USA im Siegesfall nun doch zurückkehre auf die Ferieninsel Cheju im südlichsten Südkorea, um sich am Montag wieder aufzumachen – dann nach Seoul, wo dienstags das Halbfinale anstünde.
Dass in ziemlich gereizter Stimmung darüber diskutiert werden musste, hatte damit zu tun, dass der DFB seine ursprüngliche Reiseroute am Vortag noch verworfen hatte. Schließlich sind es von Cheju nach Ulsan über 400 Kilometer in Flieger und Bus, von Cheju nach Seoul gar über 600, ein Reisestress, den sich die Mannschaft zum Großteil ersparen könnte, wenn sie von Ulsan direkt nach Seoul durchstarten würde.
Das dürfte auch der Grund gewesen sein, warum die bisherigen Planungen am späten Sonntag über den Haufen geworfen wurden, auch wenn das am Tag danach niemand mehr bestätigen wollte. Noch am Vorabend hatte Bernd Pfaff, der für die Gesamtorganisation des deutschen WM-Trips zuständig ist, kundgetan, eine Rückkehr zwischen Viertel- und Halbfinale nach Cheju sei doch „sehr umständlich“. Von Teamchef Rudi Völler heißt es, er habe die zusätzlichen Reisestrapazen vermeiden wollen.
Dass man diese nun doch auf sich nehmen muss, hat mit einem Brief zu tun, den die wichtigen Leute der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten noch am Sonntagabend verfasst und an den DFB geschickt hatten. Zwar ist dessen Inhalt en detail nicht bekannt, als sicher gilt jedoch, dass ARD und ZDF sich darin durchaus wortgewaltig über die kurzfristige Kursänderung des DFB beschwert und darauf gepocht haben, dass alles so abläuft, wie vor der WM besprochen. Dazu muss man wissen, dass die deutschen Fernsehanstalten hier nicht nur mit Notizblock und Bleistift unterwegs sind, sondern schon auch mit der ein oder anderen Fernsehkamera und solchem Kram, der zusammen rund drei Tonnen wiegen soll. Das baut man natürlich nicht mal so eben zwischen Mittagstisch und Kuchentafel auf und ab, sondern es braucht seine Zeit, von den Kosten gar nicht zu reden. Auch darauf werden die Fernsehmacher den DFB deutlich hingewiesen haben.
Auf jeden Fall kam die Botschaft an. Mayer-Vorfelder hat daran gestern keinen Zweifel gelassen. „Entscheidend war, dass wir den elektronischen Medien entgegenkommen wollten“, gab der DFB-Boss zu, und sonderlich glücklich sah der DFB-Teamchef, der direkt daneben saß, bei diesen Worten nicht aus. Zwar bemühte sich Rudi Völler, die neuerliche Umorientierung als „eine auch reine sportliche Entscheidung“ zu verkaufen, in den Nebensätzen aber konnte man heraushören, dass dabei seine ganze Diplomatiefähigkeit abgerufen wurde. Etwa mit dem Hinweis, dass es „vielleicht mehr Sinn“ gemacht hätte, „direkt zum Halbfinalort zu fliegen“, oder der Bemerkung, dass man im anderen Fall „einen Flug weniger gehabt“ hätte.
Warum dem DFB dieses Planungsmissgeschick überhaupt unterlief, bleibt derweil ein wohl gehütetes Geheimnis. Gut möglich, dass die Herren von der Organisation schlichtweg nicht damit gerechnet hatten, dass die Mannschaft überhaupt bis ins Viertelfinale kommt und sich dieses Problem somit stellen könnte. Vor zwei Wochen war davon ja auch noch nicht auszugehen. Ziemlich fest zu stehen scheint hingegen, dass Rudi Völler hier in Asien gestern sein erstes Spiel verloren hat – gegen das deutsche Fernsehen.
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