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big in japanFRANK KETTERER über einen überraschenden Weg

„So ist Fußball“

DFB – Saudi-Arabien 8:0

Ein Spiel wie aus einem Guss, das man der Mannschaft so nicht zugetraut hätte. Miroslav Klose begründet mit drei Treffern seinen WM-Ruhm. Rudi Völler sagt: „Man sollte das Spiel nicht überbewerten, aber acht Tore muss man auch gegen diesen Gegner erst mal schießen.“ Es ist dies der Satz des Abends, weil ihn so oder so ähnlich jeder deutsche Spieler einmal sagen wird. Oliver Kahn hingegen stößt eine erste Warnung aus: „Jetzt glauben wir noch mehr an uns und sind überzeugt, dass wir hier Großes leisten werden“, sagt der deutsche Torhüter, betätigt sich allerdings auch als trefflicher Prophet, indem er feststellt: „Man darf nicht meinen, dass jetzt jedes Spiel so läuft.“

DFB – Irland 1:1

Die Ernüchterung folgt in der Tat auf dem Fuße – und das ausgerechnet gegen die trinkfesten Irländer, wie Rudi Völler sie standhaft nennt. Ansonsten ist Uns Rudi nach dem Spiel eher wortkarg, was damit zu tun haben könnte, dass sich der Teamchef noch in der Nacht vor allem die zweite, ziemlich verheerende Halbzeit nochmals per Video reingepfiffen hat und anderntags bekennen muss: „Ja, ich habe schlecht geschlafen.“ Das bringt auch Kahn in Wallung, dem Vernehmen nach soll er noch in der Kabine etwas rumgetobt haben. Davon bekommt Carsten Ramelow („Schuldzuweisungen gibt es bei uns nicht“) allerdings nichts mit – was durchaus ins Bild passt: Von den irländischen Angriffen hat er ja auch nichts mitbekommen.

DFB – Kamerun 2:0

Kamerun spielt Deutschland in diesem Endspiel um den Einzug ins Achtelfinale an die Wand, allerdings nur eine Halbzeit lang. Dann, kurz vor der Pause, fällt Ramelow ein Geniestreich ein, der die deutsche Mannschaft auf die Siegstraße bringt: Der Leverkusener lässt sich per gelb-roter Karte vom Platz stellen, eine Maßnahme, die sich sofort belebend aufs deutsche Spiel auswirkt. Völler stellt die Abwehr von Dreier- auf Viererkette um – was wirklich prima klappt, weil Ramelow ja nicht mehr dabei ist. Das und der überragende Kahn jagen den Kamerunern so viel Angst ein, dass sie darüber völlig vergessen, Fußball zu spielen. Den Rest erledigt Klose: Das 1:0 durch Marco Bode bereitet er wunderbar und durch den schönsten Spielzug der deutschen Mannschaft bei dieser WM vor, das 2:0 macht er selbst. Goalie Kahn stellt nunn fest, dass so eine WM mit dem Achtelfinale ja erst richtig beginnt: „Jetzt geht’s los!“

DFB – Paraguay 1:0

Beide Mannschaften sorgen für gähnende Langeweile. „Vor allem in der ersten Halbzeit haben wir keinen guten Fußball gespielt“, bemerkt Völler, „eigentlich haben wir gar keinen Fußball gespielt.“ Auch in der zweiten Hälfte wird es nur unwesentlich besser, unter anderem, weil Oliver Neuville, der erstmals von Anfang spielen darf, zwei Minuten vor der Verlängerung den einzigen Treffer des Tages erzielt. „Heute war’s schwer“, stellt Klose fest. „Wir können besser spielen“, hofft derweil Bernd Schneider. Kahn formuliert gewohnt offensiv: „Ich bin überzeugt, dass man mit dieser Mannschaft auch ins Finale kommen kann.“

DFB – USA 1:0

Rudis Rumpelelf liefert den spielerischen Offenbarungseid ab und lässt sich von den Amis tatsächlich an die Wand spielen. Dass dies nicht mit dem folgerichtigen Aus bestraft wird, liegt an Michael Ballack, der nach 38 Minuten zum 1:0 trifft – und an Oliver Kahn, der nahezu Unglaubliches leistet, was die japanische Sportzeitung Nikkan Sports zu dieser Beurteilung zwingt: „Kahn, der Schutzgott-Gorilla, hat die deutsche Mannschaft ins Halbfinale gebracht. Solange Herr Gorilla da ist, verliert Deutschland nicht.“ So ähnlich sieht das wohl auch der Fußballweise Firlefranz, der sich erneut zu Wort meldet und die sofortige Einführung der Prügelstrafe für deutsche Nationalspieler fordert, außer für Herrn Gorilla natürlich. Selbst Völler ist mit der „Art und Weise, wie wir heute gespielt haben, nicht hundertprozentig zufrieden“. Derweil hofft Kahn: „Die Mannschaft kann jeden Moment explodieren.“

DFB – Südkorea 1:0

Die deutsche Mannschaft explodiert – und den Knall hört man bis hinüber nach Yokohama. In ihrem besten WM-Spiel schlagen Ballack und Kollegen den Gastgeber und beenden so eine Siegesserie, die noch unglaublicher ist als die eigene. Zum tragischen Helden mutiert dabei Ballack: Erst muss er foulend eingreifen, um Deutschland das 0:0 zu retten, was ihm eine gelbe Karte sowie die Sperre fürs Finale einbringt, dann schießt er Deutschland höchstselbst in dieses. „Ganz Deutschland muss den Hut vor ihm ziehen“, fordert daraufhin Völler. Ballack selbst sagt: „Es ist bitter. Aber so ist Fußball.“

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