bernd müllender über Plagen: „Welcome to the Deutsche Post“
Postlagernd ist nicht mehr. Emsige Freundlichkeit und neckische Irrwege bei „World Net, Mail Express Logistics Finance“
„Welcome to the Deutsche Post.“ Schon das Pausenzeichen ihrer Bonner Telefonzentrale lässt einen die ganze weite Internationalität des früheren Amtes aller Ämter spüren. Post AG 2001: Ein weltweit operierendes Logistikunternehmen mit Gelbanlage. Dummerweise erlebe ich, was böser Zufall sein muss, immer neue postalische Missgeschicke. Vor Jahren schon kam ein Brief an das Presseamt der Bundesregierung mit dem Vermerk „Empfänger in Bonn-Beuel unbekannt“ zurück, weil ich eine falsche Postleitzahl aufs Kuvert geschrieben hatte. Pech. Man kann ja nicht jeden kennen.
Ich lebe in einem Zustellbezirk, der offenbar als Schulungs- und Urlaubsvertretungswiese genutzt wird, bei dem ich ständig Logistikprodukte für Nachbaradressen bekomme (kriegen die dafür meine Post?) und immer neue, stets erschöpfte, wiewohl freundliche Aushilfsstudenten meine Sendungen manchmal erst kurz vor Einbruch der Dunkelheit apportieren. Als ich neulich eine benachrichtigte Nachnahmesendung von gut tausend Mark bei der Hauptpost per Post-Bankcard auslösen wollte, wurde mir freundlich erklärt: Nein, leider gehe „so was“ nicht; entweder bitte bar oder drei Eurocheques über maximal 400 Mark.
Wunderland Post AG. Jetzt stand der Urlaub an: Warum bei der kombinierten Bahn-Rad-Anreise alles auf den Gepäckträger, was wir erst am Zwischenziel Bodensee brauchen wollten (Schlafsack, Lektüre, Ersatzklamotten etc.)? Also, sehr clever, all das ab ins Paket für schlappe zwölf Mark fuffzig: Unsere Namen drauf, „postlagernd“, Postfiliale Marktstätte 4, 78462 Konstanz. Und ab die Post!
Na ja, sagt die Postfrau daheim in Postlers Aachener Servicecenter, „eigentlich“ gehe postlagernd nicht mehr, leider, „seit etwa einer Woche“ – außer wir würden einen Lagerungsauftrag beantragen. Einen was? „Na ja, anrufen in Konstanz und Bescheid geben.“ Freundlich recherchiert sie telefonisch der Kollegen Telefonnummer. Sie werde es dort auch versuchen. Service! Und verspricht, das Paket abzuschicken.
Unterwegs schon im 16. Versuch Erfolg in Konstanz. Herr Rauscher, sehr freundlich, bestätigt bedauernd: Nein, „postlagernd“ gebe es nicht mehr, „seit ein paar Wochen“. Aber das Paket ist unterwegs! „Hmmm“ – Herr Rauscher lässt sich alle Daten durchgeben und verspricht, die Sendung bei Ankunft sonderbehandelnd zu bewahren und die Kollegen zu informieren. So geht Lagerungsauftrag.
Konstanz, drei Tage später: Kein Paket. Die Post kennt sich aus: Drei Tage? Ach, dann komme das bestimmt noch. Am nächsten Tag: nichts. Vielleicht habe auch die regionale Frachtverteilstelle das böse Wort „postlagernd“ gelesen und alles retour geschickt. Man forscht dem Paketcode nach. Kein Ergebnis: „Seltsam.“ Wir bekommen eine neue Telefonnummer: „Die Fracht.“ Diverse Versuche: Vor lauter Verfrachten haben die allerdings nie Zeit, den Hörer abzunehmen.
Ab Tag 5 werden wir schon bei Betreten der Filiale gegrüßt, „Aaah, das Paket.“ Was denn alles Wichtiges drin sei, fragt ein Postler. Schlafsack etwa. „Vielleicht geht es auch mit einem“, rät er neckisch. Und das Verhältnis Postmann/Kunden wird fast intim: „So mit Aneinanderkuscheln.“ Zum Abschied von Konstanz nach einer Woche hat er noch einen Tipp: Das nächste Mal alles genauso schicken, unsere Namen mit Adresse der Postfiliale, nur ohne das böse Wort „postlagernd“, dann anrufen, und schon mache man das. Postler tricksen die Post aus, schön.
Paket weg ist nervig: Schlafsack und anderes müssen von einer Bekannten am Bodensee geliehen, neue Urlaubslektüre muss gekauft, die wenige Wäsche ständig neu gewaschen werden. Weniger Gewicht hilft aber später bei manchem Berg. Danke, Post!
Zu Hause lagen nach drei Wochen zwei rote Zustellzettel. Und ein dritter mahnender Zusatzschrieb: Da das Paket Müllender an Müllender zurück an Müllender „bei der Bestimmungspostfiliale unzustellbar“ war, werde es, wenn es nicht alsbaldigst abgeholt werde, als „preisgegeben betrachtet“ und der Inhalt versteigert.
Fix zur Hauptpost: Nein, das Paket sei nicht mehr da. Bitte? Der Hauptpostfilialpostler durchstöbert noch mal sein lokales Logistikzentrum und kramt ein Frachtstück mit der Aufschrift „Nicht Zulassig“ hervor. Tja, sagt er, „postlagernd“ gebe es eben nur noch „im Verkehr mit dem Ausland“. Dann hätte ich bloß nebenan in ein holländisches Postkantoor zu gehen brauchen? „Ja.“ Oder das Paket nach Kreuzlingen/Schweiz schicken, zwei Kilometer neben Konstanz? „Ja.“
Da, wo alles begonnen hatte, in der Postfiliale ums Eck, gab es die bedauernde Erklärung, die Frachtzentrale unterwegs habe sich wohl verweigert. Und schon nach kurzer Debatte das Geld zurück (bar, kein Scheck). Das Paket mit den Leihklamotten durfte entgeltfrei an den Bodensee; dazu gab es ein Bombardement von Entschuldigungen und ebenfalls entgeltfrei eine Mappe mit „10 ausgewählt schönen Briefmarken, Collection Nr. 7“ (Wert 5,60 Euro).
Unklar blieb nur, warum mir die Post den finalen Gag erspart hat (Paket taucht lächelnd nach drei Wochen in Konstanz auf oder pendelt für immer unfassbar hin und her). Wie machen es Postlers Logistikkollegen eigentlich mit UPS-lagernd und DPD-deponierten Sendungen?
Fragen zu Plagen?kolumne@taz.de
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