berlinmusik: Tief unddüster
Ein Club, das haben die Berliner neunziger Jahre wohl ausreichend gezeigt, ist ja vor allem dann ein faszinierender Ort, wenn er etwas Unergründliches, Mystisches, Magisches hat. Wenn er einem ein Paralleluniversum eröffnet, in dem die irdischen Gesetze zeitweise außer Kraft gesetzt sind.
Für die Musik von Hüma Utku gilt Ähnliches, und so dürften die Tracks der 30-jährigen Türkin in Club-Umgebung wohl auch hervorragend funktionieren. Utku, die aus Istanbul kommt und seit einigen Jahren in Berlin lebt, hat unter dem alias R.A.N. (Roads At Night) bereits ein Album und eine EP veröffentlicht, nun erscheint erstmals ein Werk unter ihrem bürgerlichen Namen.
Auf „Gnosis“ betritt man dunkle, bedrohlich wummernde Soundlandschaften, es klingt alles ein wenig nach Endzeit, man weiß nie genau, was geschieht, und wenn man sich gerade ein bisschen akklimatisiert hat, dann kommt plötzlich so ein tiefer Magengruben-Beat um die Ecke, der einen umhaut. Wenn man ihre Musik auf einen Begriff bringen müsste, würde man wohl Dark Ambient dazu sagen. Und da Utkus Thema auf dem Album ja die tiefe Erkenntnis („Gnosis“) ist, passt das alles schon – denn tief, abgrundtief, schluchtentief klingen diese sechs Stücke allemal.
Gar nicht so weit entfernt vom Sound Hüma Utkus sind die ersten Klänge, die auf der Debüt-EP des Duos Szalazar zu hören sind. Dann aber biegen Francisco Gonçalves Silva und Robert Paul Gardner, die beiden Herren hinter Szalazar, ziemlich schnell Richtung Pop ab.
Pop allerdings, der in dunkle Farben getunkt ist, Bands wie New Order oder OMD in ihren Frühphasen kommen einem in den Sinn, wenn man diese sechs Stücke hört.
Dass Szalazar augenblicklich Achtziger-Assoziationen wecken, liegt auch daran, dass die Synthesizer hier exakt so klingen wie in der Ballonseide-Ära. Und komisch, bei dem wunderbar eingängigen Song „Souvenirs“ mit dem ebenso eingängigen Refrain „Souvenirs from you (…) / Souvenirs of times we’ve had“ wäre man sich fast sicher, dass man das damals schon einmal bei MTV gehört hat, anmoderiert von Kristiane Backer.
Insofern: ein bisschen epigonal, aber eben auch ziemlich catchy.
Jens Uthoff
Hüma Utku: „Gnosis“ (Karlrecords) Szalazar: EP „Grace“ (eigenes Label)
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