berlinmusik: Mystery & History
Ganz harakirimäßig starten wir diesmal in die Berlinmusik-Kolumne. „Harakiri“ heißt der erste Track der neuen EP von Christoph de Babalon. De Babalon ist in der elektronischen Szene seit Ende der Neunziger eine wichtige Figur, seinerzeit veröffentlichte er auf Alec Empires Digital-Hardcore-Label mit „If You’re Into It, I’m Out of It“ ein wegweisendes Album mit Dark-Ambient- und Breakcore-Elementen (das im vergangenen Jahr übrigens in einer remasterten Version wiederveröffentlicht wurde).
Von diesen Stileelementen findet sich auch heute noch einiges in seiner Musik, so beginnt der Eröffnungstrack dieser 4-Track-EP, die auf den Namen „Hectic Shakes“ hört, auch mit einer sphärischen Klangfläche, die eineinhalb Minuten ein dunkles Szenario aufbaut, ehe sich wüste Jungle-Beats darüber legen, die dann immer ein- und ausgeblendet werden. Die inneren Abgründe will de Babalon auf „Hectic Shakes“ zum Thema machen – dies wird im ersten Stück gleich allzu deutlich, nicht nur durch den Titel, der ja auf den japanischen Begriff der Selbsttötung zurückgeht, sondern auch in der Musik, in der sich quälende Langsamkeit und nervöse Attacken abwechseln.
Dieses Spannungsverhältnis bleibt auf „Hectic Shakes“ bestehen. Das Stück „Endless Inside“ hat ebenfalls diese Klangflächen, die zwischenzeitlich fast Neue-Musik-geschult anmuten und die man sich gut als Soundtrack einer Mystery-Serie vorstellen könnte.
Dazu gesellen sich dann Broken Beats mit ähnlich düsterer Anmutung. Der dritte Track „Shakes and Shivers“ ist dann etwas frickeliger, verspulter und verspielter, klingt frischer und vitaler, ehe de Babalon mit „Raw Mind“ schließt, das wieder flirrender und mystischer beginnt, am Ende aber nochmal mit ein bisschen Beatgeballer aufwartet. Da steuert der aus Hamburg stammende Produzent dann schon auf das Finale dieses 21 Minuten dauernden, starken Stückes Musik zu.
De Babalon bewegt sich dabei wie eigentlich in seiner gesamten Karriere fernab aller Moden und Szenetrends. Das wird auch auf „Hectic Shakes“ wieder deutlich. Es ist eine EP, die sehr eigen klingt; mit Musik, die so eben nur Christoph de Babalon macht. Jens Uthoff
Christoph de Babalon: „Hectic Shakes“ (Alter Records) christophdebabalon.bandcamp.com
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