piwik no script img

berliner verkäuferinnen und wie sie den laden hier am laufen haltenHeute: Kornelia Dankert

Wer nicht so oft in der Spielwarenabteilung des KaDeWe unterwegs ist, könnte an einem grauen Sommerferiennachmittag den Eindruck bekommen, es sei kurz vor Weihnachten. Ein irres Gewusel von kleinen Mädchen mit bunt bemalten Gesichtern im Schlepptau einer jugendlich gekleideten russischen Großmutter, eine norwegische Familie auf der Suche nach Computerspielen, ein aufgeregtes Menschenknäuel vor der Kasse mit so viel Spezialfragen wie Waren in der Hand.

Kornelia Dankert kennt ganz andere Stresslevel. Etwa wenn Spezialkunden aus den Emiraten kommen, mit denen sie vor dem Einkauf in der Spielwarenabteilung erst mal geeignete Container in der Kofferabteilung beschaffen muss, bevor sie dann platzsparend die georderte Ware verpackt. Inmitten des permanenten Kindergeburtstagstrubels widmet sie sich seelenruhig einem älteren Herrn, der BVG-Busse en miniature sucht. Modellautos sind ihr Zuständigkeitsbereich. Ihre Leidenschaft für Autos hat sich fast natürlich entwickelt, erzählt sie, seit sie als Kind regelmäßig im Zwanzigtonner ihres Vaters, der als Kraftfahrer bei einer Spedition gearbeitet hat, mitfahren durfte. Später machte sie eine Lehre als Einzelhandelskauffrau bei Karstadt am Hermannplatz.

Im KaDeWe gibt es im Spielwarenbereich natürlich längst keine „Mädchen- und Jungenabteilung“ mehr. Dem weint die gebürtige Kreuzbergerin nicht nach. „Ich bin kein Typ, der ständig von früher redet und immer mit einem Fuß im Jammertal steckt.“ Manchmal wundere sie sich etwa über die nostalgische Begeisterung ihrer jugendlichen Kunden über die bunt bemalten Hippie-VW-Bullies im Sortiment. Mit einem wesentlich jüngeren männlichen Kollegen entwickelte sie in Beratungsgesprächen mit gender-konservativen Kunden eine Art Rollenspiel. Sie überlässt ihm den Vortritt, sie bleibt im Hintergrund – und er bittet sie dann jeweils bei den Spezialfragen bei Autotypen, ob sich die Tankdeckel öffnen lassen etc. um Rat.

„Das funktioniert immer. Heute müssen wir das seltener machen als noch vor ein paar Jahren.“ Was sich indes nicht geändert hat, ist das Rollenspiel ihrer erwachsenen Kunden: Gewisse Frauen liefern ihre Männer nach wie vor gern in Kornelia Dankerts Obhut ab – und verschwinden bis auf Weiteres in der Damenoberbekleidung, kassieren aber vorher die Kreditkarte ein. „Inzwischen ein Klassiker bei uns. Begonnen hat der Hype mit Modellautos – exakt rückdatierbar 1991 – mit Michael Schumacher beim Grand Prix in Belgien!

Seitdem gehören zu unseren Stammkunden zum Beispiel Rechtsanwälte, die ihre Foyers mit Modellautos dekorieren. Ich hatte sogar mal einen Kunden, der extra eine Wohnung nur für seine Sammlung angemietet hatte. Als der geheiratet hat, war’s damit dann vorbei.“ Zu den Stammkunden von Kornelia Dankert zählen neben den Modellautosammlern und Kindern als Hauptzielgruppe auch viele Erwachsene, die sich nach einer übersichtlichen Welt sehnen. „Diese Leute bauen sich mit Landschaftselementen, und Autos gehören natürlich dazu, allmählich eigene Miniaturwelten auf, in der sie sich dann zu Hause fühlen können.“

Sukzessive, oft über Jahre, erstehen diese Kunden kleine Bauernhöfe, Wälder, Sonnenblumenfelder, Fachwerkhäuser, winzige Autowerkstätten, Stadtlandschaften. Sie finden dazu in der KaDeWe-Spielwarenabteilung als Bastelzubehör neben Klassikern wie etwa Folien, die Autobahnen und gepflasterte Straßen darstellen, immer wieder Neuerungen und Anpassungen an gesellschaftliche Entwicklungen. Etwa „Erdbeeren-zum-Selberpflücken-Felder“ oder auch „Hanf- und Mohnsamenplantagen“. Kornelia Dankert kommentiert: „Die Spielwarenabteilung ist halt die Welt im Kleinen.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen