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berliner szenenUrlaubauf demBalkon

Nachdem ich die Pflanzen gegossen habe, ist es auf meinem Balkon noch kühler – als würden sie alle auf einmal ausatmen. Ich laufe barfuß über die kleinen Pfützen, die nach dem Gießen entstehen. An sehr heißen Tagen lasse ich mir etwas Wasser aus der Kanne auch über den Kopf laufen und freue mich seltsamerweise, dass die Sonnenstrahlen mich nicht erreichen – und gleichzeitig darüber, wie sie weiter über die Häuser auf der anderen Seite des Hofes scheinen. Sonst verstecke ich mich nicht vor ihr, aber bei 36 Grad habe ich umso mehr ein Sommergefühl, wenn ich im Schatten sitze. Unten im Hof repariert ein Nachbar sein Fahrrad und redet pausenlos mit sich selbst. Manchmal schimpft er, manchmal lacht er über die eigene Unterhaltung. Ansonsten höre ich Küchengeräusche, Besteckklappern, eine englische Fernsehsendung. Ein Handy klingelt irgendwo, Tauben flattern vorbei und erschrecken sich über meine Anwesenheit. Wespen nerven mich immer wieder. Was die anderen vielleicht von mir hören: das laute Tippen auf meinem Rechner, zwei bis drei mal am Tag meine Kaffeemaschine, die Nachrichten, wenn ich pünktlich das Radio einschalte. Bei solchen Temperaturen gibt es in Berlin keinen Ort, an dem ich mich wohler fühle als auf meinem Balkon. Ich verzichte auf Seen oder Freibäder, das Tempelhofer Feld hat zu wenig Bäume, die Café-Terrassen sind zu voll. Vielleicht wäre die Bibliothek eine Alternative – aber selbst für die kurze Fahrt dorthin ist es zu heiß. Als ich nach Sonnenuntergang, frisch geduscht, endlich das Haus verlasse, um mir ein kaltes Bier zu gönnen, fühle ich mich, als hätte ich einen Tag am Strand verbracht und würde nun ein Restaurant an der Promenade suchen. Da ich jedoch meinen Sommerurlaub in Neukölln verbringe, gebe ich mich mit meinem Späti völlig zufrieden.Luciana Ferrando

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