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berliner szenenBesorgte Erdbeer-diebe

Ich sitze in der S-Bahn 1 auf dem Weg nach Hause, als ich auf die vier Jugendlichen aufmerksam werde. Drei Jungs, ein Mädchen, alle so um die 17. Sie reden über Erdbeeren. Ich höre mit halbem Ohr hin, bis zum Satz: „Wir hatten am Ende mehrere Kilo. “ Mehrere Kilo? Ich lege mein Buch zu Seite, um mich besser auf das fremde Gespräch zu konzentrieren.

„Das war nach dieser Party bei Louis. Morgens werden diese Häuschen ja immer ganz früh beliefert.“ Es geht um diese Erdbeerverkaufsstände, die in den Sommermonaten überall in Berlin stehen. Dort, wo die Erdbeeren seit Wochen zehn Euro pro Kilo kosten. So viel, dass wir zu Hause beschlossen haben, keine mehr zu kaufen. Offenbar sind wir nicht die einzigen, die trotzdem bedauern, den Sommer ganz ohne die roten Früchte zu verbringen.

Die vier sind alle ordentlich gekleidet und drücken sich halbwegs gewählt aus. Und nachts gehen sie Erdbeeren klauen? Ernsthaft? „Für die Verkäufer ist das nicht okay“, sagt das Mädchen. „Stell dir vor, morgens fehlen da gleich ein paar Kilo. Das müssen sie dann aus eigener Tasche zahlen.“ Recht hat sie, denke ich. „Nee, weißt du“, sagt ein Typ mit kurzen blonden Locken, „da haben wir schon drauf geachtet, dass wir an jedem Stand nur eine Schachtel nehmen. Ist doch klar, dass Verkäufer da keinen Stress kriegen sollen.“ Ich stelle mir vor, wie sie morgens bei Sonnenaufgang, nicht mehr nüchtern, auf dem Heimweg sind. Isst man da wirklich noch Obst? „Marvin hat später einen New York Style Strawberry Cheesecake gebacken“, sagt da der Kleine mit dem blauen Hoodie. „Der war vielleicht lecker!“ „Und mit den anderen haben wir so einen Milchshake gemacht“, ergänzt der Lockenkopf mit verzücktem Gesicht. Das Mädchen grinst. Ich auch. Wie sie die Häuschen geöffnet haben, erzählen sie übrigens auch. Das verrate ich natürlich nicht. Gaby Coldewey

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