piwik no script img

berliner szenenShirts in Schwarz-Pink-Gelb

Am Sonntag war ich auf dem Flohmarkt am Maybachufer. Es war wie immer sehr voll. Überall Menschen, die sich an den Ständen vorbeischieben. Um diesen Flohmarkt zu ertragen, sollte man definitiv nicht verkatert sein. Als ich die erste Reihe mit überwiegend hippen Klamotten, handgefertigten Vasen und Schmuck fast durch hatte, blieb ich perplex an einem Stand stehen. Hatte ich gestern doch gesoffen und sah nun etwas, was es gar nicht gab? Oder war die AfD an der Macht und ich hatte das nicht mitbekommen? Sah so die Zukunft aus oder war diese Zukunft schon da?

An dem Stand wurden doch tatsächlich neue Deutschland-Shirts und Deutschland-Kapuzenpullis angeboten. Wobei das Rot der etwa 15 Zentimeter langen Flagge, die auf der Höhe der Brust platziert war, eher pink war. Und das Gold war gelb. Aber das ist ja meistens so. Alle Shirts und Kapuzenpullis waren sonst schneeweiß und feinsäuberlich gestapelt. Hinter dem Stand saß ein junger Typ. Vielleicht Mitte zwanzig. Eher lässig gekleidet. What the hell?, fragte ich mich und ging einen Schritt näher zum Stand. Mir war es unangenehm, an einem solchen Patriotismus hängen zu bleiben. Mitten in Kreuzkölln – unpassender konnte doch ein Viertel nicht sein, um da Nationalstolz-Merch zu verkaufen. Neben den Shirts lag ein Zettel. „All humans united“ stand da – oder so ähnlich. Als ich weiterlesen wollte, liefen zwei Punks vorbei. Sie runzelten ungläubig die Stirn, lachten und dachten wahrscheinlich so wie ich. Einer von ihnen meinte: „Hast du Rot mit Pink verwechselt oder wie?“ Der junge Typ hinter dem Stand schüttelte energisch den Kopf und antwortete: „Um Gottes willen. Das ist natürlich Absicht.“ Ich lief weiter und ärgerte mich im Nachhinein, nicht nachgefragt zu haben, wie er denn auf diese Schnapsidee gekommen war. Eva Müller-Foell

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen