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berliner szenenExtra scharf für die Treue

Ich stehe in einem arabischen Supermarkt und suche Harissa. In dem marokkanischen Rezept für eine Couscous-Pfanne, das ich ausprobieren will, steht als wichtigste Ingredienz Harissa. Jetzt suche ich es in dem Regal mit unendlich vielen Gewürzen und bin leicht überfordert. Neben mir steht eine kleine Frau mit einem Korb. Sie hält eine große, eckige Lupe vor ihre bebrillten Augen und murmelt manchmal etwas vor sich hin.

„Entschuldigung“, sage ich, „können Sie mir helfen? Ich suche Harissa.“ Sie sieht mich mitleidig an und sagt: „Das macht man selbst. Es ist eine Mischung.“

„Ach so, ja“, sage ich, „aber ich dachte, es gäbe diese vielleicht schon fertig zum Kaufen?“

Sie wackelt mir dem Kopf und zeigt mit der Lupe in die untere rechte Ecke: „Da. Aber das ist nicht gut. Schmeckt nicht“, sagt sie.

Sie deutet auf eine Tüte, in der sich eine wabbelige Masse befindet und sagt: „Vielleicht das, aber du musst viel mehr Knoblauch und Chilli dranmachen.“

Ich nehme eine der Tüten, nicke und lächle. Sie liest weiter mit der Lupe die Preisschilder. Ich bedanke mich, sie sieht mich an und sagt: „Kochst du für deinen Mann?“ „Nein“, sage ich. „Ich koche für mich und meine Kinder.“ Sie hebt die Lupe und sieht mich kurz an. Ihr Auge ist riesig vor meinem. Es hat etwas von Dada.

„Mein Mann kriegt viel Chilli und viel mehr Knoblauch. Dann will ihn keine andere.“ Sie lacht, ich auch. Ich kann sehen, dass ihr seitlich ein Zahn fehlt. „Guter Trick“, sage ich. Sie lächelt zufrieden und hebt die Lupe zum Abschied.

An der Kasse begegnet mir ein kleiner Mann in einem grauen Anzug. Vielleicht ist er ihr Mann. Er ruft nach jemandem, und ich stelle mir vor, wie er heute Abend wieder ein Gericht mit extra viel Chilli und noch viel mehr Knoblauch bekommt, ohne zu wissen, dass es eigentlich ein Trick ist. isobel markus

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