berliner szenen: Ein hungriger Bär über mir
Was ist los da oben? Was hat dieses Trampeln zu bedeuten? Gleich fällt mir die Decke auf den Kopf. Ich sitze in meinem Lieblingssessel, nippe an einem Whisky und schaue mir „The walking dead“ an, das Comic, nicht die Serie. Das Trampeln klingt, als würde ein hungriger Bär nach einem Topf Honig suchen.
Dabei ist Denise, die nette Nachbarin über mir, alles andere als ein Trampel und außerdem verreist. Vielleicht hat Olaf, ihr Ex aus dem Erdgeschoss, noch die Schlüssel für die Wohnung. Olaf ist fast zwei Meter groß und wirklich kein Leichtgewicht. Als wir uns zuletzt sahen, wollte er seinen Ehemann Henrik in Japan besuchen. Das war vor einer Woche. Nein, für eine Woche fliegt Olaf nicht nach Japan. sie hätten Es sei denn, sie hätten sich getrennt. Dabei haben die beiden erst vor vier Monaten geheiratet. Alle Nachbarn waren eingeladen.
Meine Güte, vielleicht ist Olaf völlig verzweifelt und sucht etwas, um sich alkoholisch aufzumöbeln. Seine Wohnung ist so spartanisch eingerichtet wie ein japanischer Garten. Da gibt es nichts, um sich aufzumöbeln. Außer Sake, sein Lieblingsgetränk. Sicher hat er davon die Nase voll. Ich weiß jetzt, was ich zu tun habe. Ich schnappe mir den Rest von dem Single Malt Whisky, den er mir zu meiner Trennung geschenkt hat, und klettere ins vierte Stockwerk, um ihn von seinem Trampeltrip herunterzuholen.
Ich klingele und horche an der Tür. Ich höre, wie sich jemand nähert. Ist es womöglich ein Einbrecher? Daran hätte ich früher denken sollen.
Ich bekomme es mit der Angst zu tun. Tatsächlich öffnet ein fremder Mann die Tür. Er ist einen freundlich lächelnden Kopf größer als ich und sagt: „Denise fragt, was du so spät am Abend noch brauchst? Sie ist gerade erst zurückgekommen und hat keine Zeit gehabt zum Einkaufen.“ Henning Brüns
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