berliner szenen: Klappt auch alles beim Kochen?
Meine Tochter ist vor ein paar Monaten ausgezogen. Sie hat eins der raren WG-Zimmer in Berlin gefunden und wir haben uns alle gefreut – auch wenn meine Freude aus einem lachenden und einem weinenden Auge bestand. Wenn das erste Kind auszieht, fühlt man sich zunächst schon etwas verlassen und verloren.
„Ach, warte mal ab“, sagte eine ältere Nachbarin beruhigend zu mir. „Manchmal kommen die Kinder sogar noch mal zurück. Da hat man sich gerade an den neuen Zustand gewöhnt und sie stehen mit Sack und Pack wieder vor der Tür, sodass man mühsam ein Zimmer freiräumen muss. Außerdem rufen sie in der ersten Zeit andauernd an und fragen nach, wie man dieses und jenes anschließt, anbohrt, wäscht, zubereitet, sauber bekommt, wie man das Lieblingsgericht würzt oder ob man rein zufällig eine Pfanne übrig hat.“
Ich warte also. Warte, dass das Kind anruft oder mich nach diesem oder jenem Rezept fragt. Aber nichts. Ab und an kommt eine Nachricht: Ich bin in der Nähe, hast du Zeit für einen Kaffee?
Klar, schreibe ich zurück, koche Kaffee und sehe all den Fragen, die das Kind hat, erwartungsvoll entgegen. Aber nichts. Das Kind kommt, trinkt Kaffee, isst weniger Kekse als sonst, erzählt viel, aber will kaum etwas wissen, außer vielleicht, wie es einem geht und was so passiert ist.
Stattdessen stelle ich ein paar unauffällige Fragen. Ob sie denn kochen würden? „Aber natürlich“, nickt das Kind. „Ach, und was?“ „Alles, was uns so einfällt.“ „Ach wie schön“, sage ich und lächele aufmunternd. „Und klappt auch immer alles beim Kochen?“ „Klar“, sagt das Kind, „und wenn nicht, schauen wir bei Youtube nach, wie es geht.“ „Natürlich“, sage ich. „Youtube.“ Ich seufze und muss lachen.
Meine Tochter sieht mich an und sagt: „Mama, bist du jetzt eifersüchtig auf das Internet?“ isobel markus
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