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berliner szenenDer Sänger auf dem S-Bahnhof

Auf dem S-Bahnhof Herrmannstraße wird wieder eine Zugstörung angezeigt. Es ist kalt, und vereinzelt schwirren Schneeflocken durch die Luft. Sie landen auf dem Bahnsteig und schmilzen sofort. Eigentlich regnet es aber. Hinter mir an eine Wand gelehnt sitzt ein Mann inmitten von mehreren Taschen und Tüten mit einer Flasche Rotwein im Arm und einer Weihnachtsmütze auf dem Kopf. Er ist gut drauf und singsangt vor sich hin. Bei näherem Hinhören stellt es sich als eine Art Mash-up- Weihnachtsmarkt-Mix heraus: „Ein Glühwein. Swei Glühwein. Rei Tlühwein, alle Jahre wieder kling Glöckchen klingelingeling, vom Himmel komm ich her, morgen wird's was geben“.

Die Leute hören weg. Der Mann aber schwingt fröhlich seine Flasche und bietet den Vorbeigehenden ab und an einen Schluck aus seiner „Buddel“ an, wie er sagt. „Danke, danke“, sagt ein Mann mit Mütze neben mir und winkt ab. „Und du? Einen schönen Schluck aus der Buddel?“, ruft er mir zu. „Nee, danke“, sage ich. „Aber danke.“

Der Mann nickt, und dann singt er: „Danke, aber danke. Thank you, but thank you“, und dann beginnt er einen uralten Song zu singen, den ich von irgendwoher kenne „Thank you for being a friend“. Und er singt ihn so gut, dass der Mann mit der Mütze und ich uns erst überrascht zu ihm umdrehen und uns dann erstaunt angucken. Ich vermute, wir haben beide dasselbe gedacht: Dass da ein echtes Gesangstalent sitzt. Einer, der vielleicht früher auf einer großen Bühne gestanden hat. Oder einer, der unter anderen Umständen und mit mehr Glück im Leben auf einer großen Bühne hätte stehen können.

Als er fertig ist, applaudieren wir. Der Sänger auf der S-Bahnhof-Bühne Herrmannstraße neigt seinen Kopf und bietet uns noch einmal seine Buddel an. Dann kommt die S-Bahn. Isobel Markus

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