piwik no script img

berliner szenenChe Guevara auf dem Flohmarkt

Es ist Sonntag und der Flohmarkt auf dem Fehrbelliner Platz ist voll. Offenbar sind noch mehr Menschen auf die Idee gekommen, die erschreckend warmen Temperaturen für einen Flohmarktbesuch zu nutzen. Ich war hier sehr lange nicht mehr, und L. und ich laufen etwas erschlagen vom Gewimmel durch die Reihen mit den engen Ständen. Vor einem Stand mit japanischen Sachen, einem historisch anmutenden Kimono und vielen Bücherkisten, bleiben wir stehen. L. blättert in den Büchern.

Neben ihm kramen zwei ältere Herren ebenfalls in den Kisten. Beide tragen Hut. Einer ist der Typ Künstler. Er sitzt in einem Rollstuhl, trägt eine rote Baskenmütze und ein rosa Hemd. Sein Freund dagegen ist eher zünftig gekleidet mit einer Lodenjacke und einem Gamshut. Beide blicken stumm und konzentriert in die Bücherkisten. Der Künstlertyp hat bald drei Bücher auf seinem Schoß liegen. Es sind allesamt Biografien. Auf der obersten entdecke ich Che Guevaras Bild. Er bemerkt meinen Blick und sagt: „Che Guevara, kennen Sie den?“

Ich lächle: „Natürlich.“ Er sagt: „Ich habe eine Sammlung seiner Biografien in allen Sprachen.“ „Ach“, sage ich interessiert. „Und wie viele sind es?“ Er macht eine vage Kopfbewegung. „Manche sind doppelt, aber sicher an die fünfzig.“ Ich staune. „Sammeln Sie denn noch mehr Biografien, auch von anderen Persönlichkeiten, weil das schafft ja mit der Zeit sicher Platzprobleme.“

Der Mann lächelt und nickt, antwortet aber nicht, sondern kramt nach seinem Portemonnaie und zahlt die drei Bücher. Sein Freund sieht mich an und lächelt sanft: „Auf dem Ohr ist er taub, aber ja, Sie haben ganz recht. Platz ist kaum mehr. Aber na ja, irgendein Hobby braucht der Mensch.“

Als L. und ich weitergehen, schaut der Künstlertyp noch in eine weitere Bücherkiste.

isobel markus

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen