berliner szenen: Blumen oder Playlist?
Nachmittag am Valentinstag, in der S-Bahn fallen mir viele Männer mit Blumensträußen auf. Zwei Jungs in der S-Bahn unterhalten sich auch über den Valentinstag. Sie sind vielleicht 14, aber beide sehen eher aus wie 12.
„Ich kapier das nicht“, sagt der Kleinere, hält sich an der Stange fest und guckt auf seine Sneakers. „Ist wie am Muttertag mit den Blumen. Und freuen die sich nicht über was anderes als Blumen?“
Der andere lacht. „Willste so’n Herz malen und dichten wie für Mami?“ Er fasst sich an die Maske und es sieht ein bisschen so aus, als würde er seine Nase mit der Innenseite der Maske abwischen.
Der andere ignoriert den Einwand. „Mach doch mal was anderes“, sagt der mit der Rotznase. „’Ne Playlist oder so. Da hat se doch was von.“
„Ja, oder“, sagt der andere und zückt sein Handy. „Hier, wie findste die, soll ich ihr die schicken?“ Der mit der Rotznase inspiziert die Playlist. „187 Straßenbande“, sagt er dann anerkennend.
Ein Typ in meinem Alter und ich gucken uns an und müssen grinsen. Als die beiden ausgestiegen sind, sagt er zu mir: „Und? Blumen oder Playlist?“
Ich überlege kurz und sage: „Ich bin in einem Alter, da will ich beides.“
Eine ältere Frau mit einem karierten Schal und dazu passend einer hellblauen Maske schaltet sich ein: „So ist’s richtig. Wissen Sie, ich habe heute immerzu ein Lied von Trude Herr im Ohr. Na, das werden Sie nicht mehr kennen, aber das hieß:‚Ich will keine Schokolade, ich will lieber einen Mann.‘“ Sie lacht herzlich.
Dann setzt sie nach: „Aber ich bin in einem Alter, da will ich beides nicht mehr. Stellen Sie sich das mal vor. Nur die Blumen, die würd ich schon noch nehmen.“
Als ich aussteige, haben sich an den zwei Blumenläden der Gegend lange Schlangen gebildet.
Isobel Markus
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