berliner szenen: „Meine Oma hat so Aua im Po“
In der S-Bahn lehnt sich ein kleines Mädchen mit einer kleinen Palme auf dem Kopf über die Lehne des Vierersitzes und guckt neugierig in der Gegend herum. Sie trägt Lackschuhe und ein schickes Mäntelchen. Ab und zu kommentiert sie etwas wie: „Mama, der Mann da hat seine Zeitung liegen lassen“ oder „Wieso hat die Frau denn lila Haare? Lila!“. Die Mutter reagiert kaum, blickt in ihr Handy, scrollt mit langen fleischfarbenen Nägeln und sieht nur selten auf.
Als ein Mann mit einem Pitbull einsteigt, sagt die Kleine: „Guck mal, Mama, der Hund sieht aus wie ein Schwein.“ Die Mutter guckt sich verstohlen um und meidet dabei den Blick des Hundebesitzers.
Zwei junge Frauen kommen herein, setzen sich auf die andere Seite über den Gang. Die eine sagt: „Und was ist jetzt mit T.?“ – „Ich glaub, das ist jetzt mal aus“, sagt die andere und zieht die Augenbrauen unter den Pony, „habe echt immer diese Patienten.“
„Bist du Ärztin?“, fragt das Mädchen, und beide Frauen müssen lachen. „Ich komme mir langsam auch so vor“, antwortet sie. Das Mädchen legt einen Finger an die Nase und sagt: „Meine Oma hat so Aua im Po.“ Sie zeigt auf ihr Hinterteil. Die Mutter guckt auf und sagt: „Alena, jetzt ist aber mal gut.“
Das Mädchen guckt sich kurz verwundert nach der Mutter um, wendet sich dann wieder der Frau mit den Patienten zu und fragt: „Kannst du was machen, damit Oma wieder Kacka machen kann?“ Der ganze Waggon lacht sich eins, die Mutter steht auf, nimmt Alena auf ihren Schoß und sagt zu der Frau: „Entschuldigung, sie stellt ständig unangenehme Fragen. Ich hoffe, die Phase ist bald vorbei.“
Die Frauen lachen immer noch, und dann sagt die Ärztin: „Ist doch voll gut, wir brauchen viel mehr prekäre Fragen.“ Das Mädchen sitzt auf dem Schoß und hat einen Finger über ihren Mund gelegt. isobel markus
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